Der Rechnungshof lässt sich vom Prellbock nicht stoppen und hält viele Vorgänge innerhalb der ÖBB für aufklärungsbedürftig. Foto: Corn

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Der Rechnungshof kritisiert im Rohbericht über die ÖBB-Spekulationsgeschäfte insbesondere die Umstände des Abgangs der früheren Bahnführung massiv. Mögliche Haftungsfragen seien ignoriert worden.

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Wien - Der Bericht über die illegale Speicherung von Kranken- und Diagnosedaten in so gut wie allen ÖBB-Konzerngesellschaften war in der von den ÖBB-Personalvertretern geforderten ao. Aufsichtsratssitzung am Montagabend die leichtere Übung. Die unter Beiziehung der Arbeitsrechtsexpertin Sieglinde Gahleitner erstellten Sachverhaltsdarstellungen aus allen Gesellschaften liegen vor, sie sollen in den nächsten Tagen zur Staatsanwaltschaft Wien wandern.

"Clean" im engeren Sinn ist so gut wie keine der 16 ÖBB-Gesellschaften. Fraglich ist, was davon strafrechtlich relevant ist, denn Datenschutz ist im Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialrecht geregelt, nicht im Strafrecht. Viel spannender und von wilden Spekulationen umrankt war der Tagesordnungspunkt zwei auf der Agenda: der Bericht über den vor zweieinhalb Wochen eingelangten Rohbericht des Rechnungshofs (RH) über die 2005 abgeschlossenen Spekulationsgeschäfte. Diese Credit Default Swaps (CDS) haben bis dato nur Buchverluste produziert, für die mit fast 600 Millionen Euro an Rückstellungen vorgesorgt werden musste. Sie waren ausschlaggebend für den vorzeitigen Abgang von Ex-ÖBB-Holding-Chef Martin Huber (im April 2008), dem Holding-Finanzvorstand Erich Söllinger im Herbst 2008 folgte.

Mit den Vorgängen rund um diese Abgänge gehen die RH-Prüfer hart ins Gericht. Nach Recherchen des Standard in ÖBB-Eigentümerkreisen wird die Auflösung der beiden Vorstandsverträge scharf kritisiert. Das damals aus ÖBB-Holding-Präsident Horst Pöchhacker und seinen Stellvertretern Eduard Saxinger, Franz Rauch und Herbert Kasser (Generalsekretär im Verkehrsministerium) bestehende Aufsichtsratspräsidium habe Huber und Söllinger ohne Information und Beschluss des Aufsichtsrats, dafür aber mit Golden Handshakes verabschiedet. Noch schwerer wiegt: Die RH-Prüfer monieren, dass dabei mögliche Haftungsfragen für die Spekulationsgeschäfte ignoriert worden seien.

Letzteres zum Schaden der ÖBB. Denn sollten die CDS 2013 endgültig den Bach runtergehen, muss die Bahn 612,9 Mio. Euro an die Deutsche Bank zahlen. Das Recht, sich an Huber oder Söllinger zu regressieren, habe sie jedoch verwirkt. Sollte der Saldo der CDS-Deals 2013 wider Erwarten positiv sein, müsste sie laut der vor dem Handelsgericht geschlossenen Einigung zu den bereits an Huber gezahlten 367.200 Euro weitere 360.000 Euro zahlen.

Kritik an Golden Handshakes

Für aufklärungswürdig hält der RH auch die Vorgänge rund um die Auszahlung der bis 2010 laufenden Vorstandsverträge. In dem (von Holding-Finanzvorstand Josef Halbmayr unter Verschluss gehaltenen) Rohbericht kritisiert der RH Abfindung und Auszahlung als nicht konform mit Aktien- und Gesellschaftsrecht. Der durch die Krankendatenaffäre massiv belastete Ex-ÖBB-Personalchef Franz Nigl hätte die Auszahlung der Gagen nicht durchführen dürfen, sondern nur die Holding-Führung unter Hubers Nachfolger Peter Klugar. Eine Vollmacht des Holding-Vorstands sei nicht vorgelegen. Freigegeben worden sei die Abfindung von Pöchhacker. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2009)