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Der besorgte Vater Rigoletto (Jacek Strauch) und seine verwirrte Tochter Gilda (Jennifer O'Loughlin).

 

Foto: APA / Hochmuth

Sänger und Dirigent hingegen wurde Jubel zuteil.

Wien - Es ist doch eine schöne szenische Transposition: Statt die brutale Geschichte von Verdis Rigolette kostümschinkenartig in der Renaissance zu belassen, "beamt" sie Regisseur Stephen Langridge ins filmische 20. Jahrhundert. Konkret: Hier feiert man am Set nach abgedrehter Szene zum Streifen La Maledizione ("Der Fluch") eine ausgelassene, ins Brutale kippende Fete, bei der Duca ein von allen Moralbremsen befreiter Filmstar ist, der seinen Eroberungsgelüsten routiniert und ohne Konditionsschwäche nachzukommen pflegt.

Der Milieutransfer macht auch vor dem buckligen Rigoletto nicht halt. Aus ihm wird der hinkende Garderobier eines Filmstars, der bei seinen Anbandlungen auch gerne in Rollen schlüpft, da ihm das reale Leben ein bisschen Probleme bereitet - für Rigolettos Tochter Gilda, die in einer deprimierend düsteren Gegend versteckt wird, ist er etwa der arme Student Gualtier Malde. Es ist somit nur konsequent: Der Mörder Sparafucile (sehr solide Marek Gasztecki), den Rigoletto beauftragt, den Duca/Filmstar zu beseitigen, tritt dem schürzenjagenden Opfer als Hotelbarkeeper entgegen.

Die Zeit Fellinis

Obschon also neben dem (Film-)Ambiente auch Details wie ein kleiner Fiat oder eine alte Vespa (Bühnenbild und Kostüme: Richard Hudson) zeigen, dass man hier in jenem Italien ist, das gerade die Entstehung von Federico Fellinis Film La dolce vita erlebt hat, wird die Geschichte letztlich ganz solide und flüssig erzählt.

Natürlich ergeben sich zwischen Text und Deutung hie und da kleine Kontraste; und leider kommt es in ariosen Momenten bisweilen zu einem Stehkonzert in Kostümen, da die Regiehand an solchen Stellen mitunter eine Gestaltungspause einlegt.

In Summe hat Langridge jedoch eine plausible, keinesfalls tollkühn dekonstruierende Opernversion vorgelegt, die auch im personenführenden Detail wenig Leerlauf zulässt und den finalen Buhorkan denn auch als eher grotesk und in jedem Fall ungerecht erscheinen lässt. Umso mehr, als man dem musikalischen Aspekten der Aufführung nahezu euphorische Zuneigung zuteil werden hat lassen.

Sie war bei Jennifer O'Loughlin vertretbar. Wirkte ihr Zwitschersopran ein wenig dünn, so verfügte er doch über ausreichend Sicherheit, die Partie der Gilda anständig durch den Abend zu bringen. Auch Oliver Kook (als Duca) präsentierte eine tragfähige, klangschöne Stimme, die ihn bei hohen Tönen allerdings ein bisschen wie den tenoralen Bruder des zu weit hinauf wollenden Ikarus erscheinen ließ.

Jacek Strauch (als Rigoletto) hingegen vermag man nur in der szenischen Umsetzung keinen Vorwurf zu machen; sein Kampf mit den Tönen ging zu oft verloren, als dass man nicht von einem abendlangen Leiden an der Grenze zur Überforderung sprechen müsste. Was da also heftig bejubelt wurde, war bestenfalls solides Mittelmaß mit Ausflügen ins fast Unsägliche.

Zum interessanten Fall wurde diesmal das Volksopernorchester. Von Dirigent Manlio Benzi quasi an die Steckdose des Dramatischen angeschlossen, wirkte es wie eine straff organisierte, disziplinierte Musikkohorte, die zweifellos dem Energischen der Handlung konsequent zuarbeitete. Dass dieses hohe Maß an orchestraler Wachheit nicht dazu genutzt wurde, auch einen Gang zurückzuschalten und dem Sanften eine Chance zu geben, geht somit vor allem auf das Konto des Dirigenten.

Natürlich hätte sich Benzi auch mit den nicht unheiklen akustischen Orchesterverhältnissen der Volksoper befassen sollen. Dies hätte womöglich verhindert, dass seine energische Leistung den Eindruck erweckte, im Orchestergraben würden Verdi-Bomben detonieren, die den Lärm der vorbeifahrenden U-Bahn übertönen sollen. Gelänge es in nächster Zeit diese und andere Probleme des Musikbereichs zu entschärfen, hätte die Volksoper jedoch eine gute Produktion herzuzeigen.  (Ljubiša Tošic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.10.2009)