Die Anti-Minarett-Initiative bewegt die Schweizer Gemüter. Die Befürworter haben die nächste Stufe gezündet und ein Online-Spiel ins Internet gestellt: Es gilt, aus dem Boden schießende Gebetstürme und darauf auftauchende Muezzins abzuschießen. Die Reaktionen sind heftig. "Geschmacklos", kommentiert Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam gegenüber der Sonntagspresse: "Die Schamgrenze ist überschritten."

Kein Muezzin

Entrüstet zeigt sich auch Hisham Maizar, Präsident der Föderation islamischer Dachverbände der Schweiz: "Den Initianten ist alles recht, um die Volksmeinung zu beeinflussen." Das Spiel suggeriere, der Muezzin sei der nächste Schritt. "Auf Schweizer Minaretten gab es noch nie einen Muezzin und es wird auch keinen geben", unterstrich er.

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (Bürgerlich-Demokratische Partei/BDP) erklärte bereits am Freitag in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ), es gebe das kantonale und das kommunale Baurecht, Lärmschutzvorschriften des Bundes und den allgemeinen Immissionsschutz-Artikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB), wonach Immissionen - in diesem Fall Muezzin-Rufe - das an einem Ort Übliche nicht übersteigen dürfen. "Speziell in einer christlich geprägten Gemeinde kann ein Muezzin-Ruf untersagt werden", stellte Widmer-Schlumpf klar.

"Erschreckende Plakatkampagne"

Beim UNO-Menschenrechtskomitee hat die Anti-Minarett-Initiative hohe Wellen geschlagen. Ein Vertreter des UNO-Gremiums zeigte sich empört über die "erschreckende Plakatkampagne" der Befürworter im Abstimmungskampf. Verschiedene Schweizer Städte haben das Aufhängen des höchst umstrittenen Anti-Minarett-Plakats auf öffentlichem Grund bereits untersagt. Zu sehen darauf sind Minarette, die wie Raketen aus der Schweizer Fahne ragen. Stattdessen will das Initiativkomitee ein zweites Plakat aufhängen. Es zeigt das Wort "Zensur" mit dem Slogan "Trotzdem: Ja zum Minarettverbot."

Andere Städte äußerten Zweifel, dass die diskriminierende Wirkung des Plakates groß genug sei, um die in der Schweizer Bundesverfassung verankerte Meinungsfreiheit zu beschneiden. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) übt harsche Kritik am umstrittenen Plakat, sah aber von einer Verbotsempfehlung ab.

Kritik am Verbot

SVP-Nationalrat Walter Wobmann, zugleich Präsident des Initiativkomitees gegen die Gebetstürme, übte heftige Kritik an den Verbotsentscheiden. "So können wir die Demokratie gleich ganz abschaffen." Für Wobmann ist es ein politisch motivierter Entscheid, der sich als "Eigengoal" erweisen werde. Diesen Sonntag kündigte er nun an, wegen des Plakatverbots rechtliche Schritte gegen die Stadt Basel einzuleiten.

Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) schrieb am Samstag, als Redner für die Anti-Minarett-Initiative sei auch der Israeli Avi Lipkin unterwegs. Dem Blatt zufolge vermittle er auch in etwa die Botschaft, dass Allah Gottes Antagonist, also der Teufel sei. Die Berner Gemeinschaft der Muslime erstattete nach Lipkins erstem Auftritt Anzeige wegen Rassendiskriminierung. In einer späteren Rede habe der Israeli davon abgesehen, den Islam als "Psychose" zu bezeichnen.

Burka-Verbot gefordert

Der aus Christen, Juden und Muslimen bestehende Schweizerische Rat der Religionen stellte sich bereits Anfang September entschieden gegen die Minarett-Initiative. Am 29. November stimmen die Eidgenossen über die Vorlage ab, die das Bauverbot in der Verfassung verankern will.

Am Sonntag wurde auch bekannt, dass der Verein der Ex-Muslime eine Kampagne für das Verbot des Ganzkörperschleiers in der Schweiz startet. "Man muss die Burka in der Schweiz verbieten", sagte Ebadullah Mehtinezhad, Exil-Iraner und Präsident der Ex-Muslime Schweiz, zur Zeitung "Sonntag". Auf Sukkurs kann er zählen. SVP-Nationalrat Lukas Reimann befürwortet ein Verbot des Ganzkörperschleiers: "Die Burka ist ein Symbol für die Unterdrückung der Frauen", wurde er zitiert.