Werner Faymann leistet noch Widerstand - aber die SPÖ will mehrheitlich nach links. Zumindest wirtschaftspolitisch. "Reichensteuer", Stopp von Privatisierungen und Liberalisierungen, Rückkehr des Staates. Da sind sich Voves, Burgstaller, die Gewerkschafter, die junge SPÖ, die Arbeiterkammer usw. einig. Die SPÖ müsse zu den "sozialdemokratischen Wurzeln" zurückkehren. Verändert dürfe im Sozial- und Gewerkschaftsstaat nichts mehr werden. Die "Hacklerregelung", in Wahrheit eine teure Begünstigung für Beamte und Büroangestellte mit langen Versicherungszeiten, darf nicht angetastet werden (da tut auch Faymann mit).

Die Sozialdemokratie will nichts verändern. Da dieses Aufrechterhalten des Status quo aber sehr viel Geld kostet, weil er nämlich zu teuer geworden ist, müssen eben die Steuern erhöht werden.

Gesellschaftspolitisch geht die SPÖ übrigens nach rechts. In der "Ausländerfrage" soll es "schärfere Kanten" geben - sprich, es soll der FPÖ nachgegeben werden. Das ist nicht Status quo, sondern Status quo ante, eine Rückkehr hinter bereits überwunden geglaubte Fehlentscheidungen.

Wirtschaftspolitisch links, gesellschaftspolitisch rechts - auf jeden Fall ist die SPÖ aber nur reagierend, auf Besitzstandswahrung ausgerichtet, nicht offensiv.

Denn in der "Ausländerfrage" müsste die SPÖ die besten Köpfe zusammentrommeln und darüber beraten, wie man das reale Zurückbleiben großer Gruppen mit Migrationshintergrund effektiv beheben kann (von der gesamten Wohnbevölkerung Österreichs über 15 haben 6,8 Prozent der österreichischen Staatsbürger eine Uni oder Fachhochschule besucht, von jenen mit exjugoslawischer Staatsbürgerschaft 2,2 Prozent, von jenen mit türkischer Staatsbürgerschaft 1,7 Prozent; bei österreichischen Staatsbürgern mit "Migrationshintergrund" sind die Verhältnisse wohl kaum besser).

Der ÖVP, der zweiten "großen" Regierungspartei, ist zum Schicksalsthema "Migration" bisher auch nicht mehr eingefallen, als das, was "Strache-mit-Handtasche" Maria Fekter von sich gibt: Das ist ein reines Polizeiproblem und wir brauchen strengere ... (Gewünschtes hier einsetzen).

Auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Sozialpolitik ist die Volkspartei jedoch auf einen anderen Kurs eingeschwenkt: Sie will etwas verändern. Josef Prölls Rede zur "Lage der Nation" war in den Details zwar mager, aber in der Tendenz klar. Man müsse aufhören, ewig vom Umverteilen zu reden, es müsse auch die Leistungsbereitschaft ein Thema sein. Sein Vorschlag eines Transferkontos, auf dem für den Einzelnen nicht nur sein Erwerbseinkommen aufscheint, sondern auch die Transferleistungen, ist der Versuch, die Gerechtigkeitsdebatte in diesem Land auf ein Faktenfundament zu stellen. Erstmals scheint Pröll bereit, die Betonklientel der ÖVP (z. B. Lehrer) zumindest teilweise zu reizen (die Bauern bleiben unangetastet).

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wollte Pröll nur Schüssels (angeblich) neo-liberalen Kurs aufleben lassen. Manches spricht dagegen. Bis jetzt steht nur fest, dass er veränderungswilliger wirkt als Faymann. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.10.2009)