Standard: Plötzlich stehen Sie ohne herausragenden Sportler da. Zugespitzte Frage: Hat die Raiffeisen-Werbung jetzt ein Problem?

Pruschak: Momentan haben wir sicher kein Problem. Ob's eines wird, wird man in den nächsten Jahren sehen. Lauda, Berger, Muster, Maier, das ist schon eine tolle Serie, aber es ist nicht selbstverständlich, dass das immer so aufgeht. Wir werden nicht krampfhaft einen Maier-Nachfolger suchen und diesen oder jenen nehmen. Das ist der falsche Zugang. Wichtig ist, was der Marke guttut.

Standard: Maier nützt ihr seit September 1998, der Deal wurde nach Nagano besiegelt. War abzusehen, wohin die Reise gehen würde?

Pruschak: Ich wollte endlich einen Weltcupsieger. Am Anfang war Maier ja nur für die klassische Werberolle vorgesehen. Das Logo tragen, für Raiffeisen auftreten. Dann wurde aus dem Sportstar der Werbestar, an dem niemand vorbeikam. Das war ein Prozess. Ich habe gesehen, den muss ich in der Gesamtkommunikation einsetzen, der muss die Leitfigur der gesamten Raiffeisen-Werbung werden.

Standard: Diesbezüglich ist Maier längst von sportlichen Erfolgen unabhängig. So gesehen kann die Partnerschaft einfach weiterlaufen.

Pruschak: In der Werbung war der Hermann sowieso nie der Skifahrer. Er ist in ganz normalen Lebenssituationen aufgetreten, im Taxi, in der Bar, als Großvater, auf dem Minigolfplatz, und hat Partnerschaftlichkeit, Vertrauen, Sicherheit vermittelt. Das war das Erfolgsrezept. Den Maier wird man in zehn Jahren noch kennen, selbst wenn er jetzt untertaucht. Er kann Raiffeisen-Marken-Botschafter bleiben, da besteht auch ein Interesse von beiden Seiten. Der Hermann war als Siebzehnter oft interessanter als der Sieger des Rennens, das stimmt. Sein letzter Sieg Ende 2008 in Lake Louise war natürlich erfreulich, aber er war kein Must:

Standard: Und da ist eher kein möglicher Nachfolger in Sicht.

Pruschak: Den echten Überflieger gibt es derzeit im Skisport nicht. Aber wir bleiben natürlich trotzdem dabei. Wir haben schon länger die Niki Hosp und die Kathrin Zettel, und wir haben den Marcel Hirscher geholt.

Standard: In der Hoffnung, er möge sich als Nachfolger entpuppen?

Pruschak: Pläne mit Hirscher gibt es nicht erst seit Maiers Rücktritt, sondern seit eineinhalb Jahren. Man muss abwarten, wie er sich entwickelt. Eine Persönlichkeit ist er. Es gibt ja genug Sieger, die kein Charisma haben. Da passiert nichts, wenn die ein Lokal betreten. Wenn der Maier kommt, dann tut sich was. In Kitzbühel haben uns die Leute die Bude eingerannt, wenn wir mit ihm eine Veranstaltung gemacht haben.

Standard: Nicht alles, was Maier in seinem Leben schon passiert ist, würde man allerdings beispielsweise Hirscher wünschen.

Pruschak: Schon richtig, wobei es da eine kuriose Parallele gibt: Lauda, Muster, Maier - jeder von ihnen ist nach Schicksalsschlägen wiederauferstanden.

Standard: Dass Maier in vielen Jahren noch mit dem Raiffeisen-Kapperl auftritt, ist allerdings schwer vorstellbar.

Pruschak: Das wird's nicht sein. Obwohl er das Kapperl gerne trägt. Aber schon jetzt hatte er das Kapperl nicht auf, als er in die ZIB 2 gegangen ist, das ist ganz natürlich. Beim Maier denkt man auch weniger ans Kapperl als an den gelben Helm, den ich erfunden habe. Der Helm bleibt in den Köpfen.

Standard: Wie kann Raiffeisen steuern oder dazu beitragen, dass aus einem schon erfolgreichen Sportler ein echter Werbestar wird?

Pruschak: Sie glauben nicht, wie viele sich an mich wenden und mich bitten, ich soll aus ihnen so etwas wie den Hermann Maier machen. Auch sehr prominente Sportler. Aber es gibt halt nur wenige, die diese Aura haben. Mick Jagger und Robbie Williams sind eben anders als die meisten. Der Hermann hat nie eine Rolle gespielt, auch in den Spots nicht, der war immer nur er selbst. Da hat's keine lange Vorbereitung gebraucht. Maier war eine Gesamtinszenierung. Wenn ich einen anderen hinstelle, ist die Wirkung nicht dieselbe. Viele Spots wirken ja verkrampft.

Standard: Anderen fehlt halt auch der Nagano-Flug.

Pruschak: Der Flug war natürlich ein Vorteil. So ist Hermann der Unbesiegbare geworden. Einer von uns, der es ganz hinauf geschafft hat. Das ist der Traum jedermanns.

Standard: Apropos jedermann. Es sieht so aus, als würden als große Sport- und Werbestars nur Männer infrage kommen. Liegt das bloß an Einschaltquoten?

Pruschak: Wir haben nie nur Männer gesucht, es ging einfach um Erfolg in bestimmten Sportarten. Unser Einstieg in den alpinen Skisport war die Anita Wachter. Natürlich nicht ganz so spektakulär wie der Hermann Maier, aber durchaus erfolgreich. Und als Sponsor musst du in Wahrheit schon dankbar sein, wenn dein Sportler Erfolge feiert. Viele Sportarten sind sehr männerdominiert. Auch der Skisport hat viel mit Kraft und Kampf zu tun. Aber die Lindsey Vonn zum Beispiel, die ja für ein anderes Unternehmen wirbt, wird von denen künftig sicher intensiv in die Werbung integriert.

Standard: Sie nennen keine Zahlen. Aber lassen sich die Raiffeisen-Deals mit dem Fußballteam und mit Maier in eine Relation setzen?

Pruschak: Die sind von der Größenordnung her vergleichbar. Und beide erfolgreich. Bei Maier gibt's ein höheres Maß an Emotion, weil man sich leichter mit Einzelpersonen identifiziert. Aber auch die Wertschöpfung beim Team ist extrem gut, weil es permanent präsent ist. Raiffeisen unterstützt ja österreichweit mehr als die Hälfte aller Fußballklubs. Das ist stimmig, und obendrüber hab' ich das Team.

Standard: Was ist für Sie eine erfolgreiche Werbepartnerschaft?

Pruschak: Eine, von der beide Seiten profitieren. Maier hat Raiffeisen viel gegeben. Und er weiß zu schätzen, was ihm die Spots an Popularität gebracht haben. Die Verträge mit ihm und dem ÖFB sind für Raiffeisen sehr günstig. Sieht man sich das "Return on Investment" an, so kommt ein Mehrfaches rein. Der Maier hat nach seinem Comeback in zwei Wochen das Dreifache seiner Werbesumme reingespielt, zwei Millionen Euro Wertschöpfung. Seine Printpräsenz noch im vergangenen Jahr entspricht einem Schaltvolumen von sechzig Seiten in der Kronen Zeitung. Was seine TV-Präsenz angeht, da muss ich zwei Kampagnen-durchgänge machen. Ich habe mit Maier viel Geld gespart. Die paar, die da mitspielen, Audi oder Red Bull, geben ein Vielfaches aus.

Standard: Was unterscheidet Markus Rogan von Hermann Maier?

Pruschak: Sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, allein von ihrer Herkunft her. Rogan ist in den USA groß geworden, Maier typisch österreichisch aufgewachsen. Wir wussten, Rogan wird nicht so breitenwirksam wie Maier. Aber er war eine gute Ergänzung, ist speziell bei Studenten und Intellektuellen gut angekommen. Peking und Rom waren sportlich kein Erfolg mehr. Das Problem war dann nicht der Vorfall in der Disco, sondern das Handling.

Standard: Ich würde aber nicht ausschließen, dass Rogan noch einmal sehr erfolgreich wird.

Pruschak: Das wünsche ich ihm. Aber ich kann ihn nicht auf Verdacht weitersponsern, wenn ich nichts davon habe. Bei großen Wettkämpfen verbietet der internationale Verband das Logo auf der Kappe - selbst wenn Rogan gewinnt, hab ich nichts davon. Jetzt hat er seinen Lebensmittelpunkt in Kalifornien, und ich habe keine Werbemöglichkeit mehr. (Mit Leodegar Pruschak sprach Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE 16.10. 2009)