Europaweit einzigartig ist das Prinzip: Tausche Programm gegen Geld. Ein hoher Jurist des Kanzleramts empfiehlt privat eine TV-Steuer.

Illu: DER STANDARD/Michaela Köck

Michael Kogler ist sich "einigen politischen Sprengstoffs" bewusst. Der stellvertretende Leiter der Medienabteilung im Verfassungsdiensts des Kanzleramts macht aus politischen Vorgaben zum Beispiel ORF-Gesetze. Im Fachblatt Medien &Recht analysiert er als Privatmeinung präzise, was für eine "Audiovisionssteuer" für jeden Haushalt spricht statt der gewohnten Rundfunkgebühr. "Schreckerfüllter Schauder vor dieser Frage" sei nicht angebracht.

In ihrer heutigen Form sei die Gebühr nicht zu halten:QOnline-Empfang bereitet Probleme. Die ORF-Gebührentochter GIS will Radiogebühren für internetfähige PCs, weil die ORF-Radiokanäle so zu haben sind. Fernsehen noch nicht. Schon das laut Kogler "rechtlich nicht unbestritten" . Gebühren für Onlineangebote von Sendern machen die Sache noch komplizierter.QVerwaltungsrichter entschieden: Wer nur analog via Satellit fernsieht, bekommt die ORF-Programme nicht (außer ORF2Europe) und kann sich Programmentgelt für den ORF sparen, 15,10 Euro im Monat. Bleiben nur Rundfunkgebühren und Abgaben für Bund und Länder, unabhängig vom konkretenEmpfang fürs Gerät.

"Europaweiter Ausnahmefall"

Wenn alle ihre ORF-Smartcard zurückschicken, die über Satellit schauen, könnten dem ORF bis zu 54 Prozent der Gebührenzahler wegbrechen, rechnet Kogler vor. Tatsächlich beendeten im Frühjahr 2009 wie berichtet fast 7000 so ihre Gebührenpflicht. GIS oder Behörden müssen nun nachweisen, dass Haushalte ORF-Programme technisch empfangen können.

Kogler warnt vor simpler "Reparatur", indem das Gesetz auf "zumutbaren" Aufwand für den Kauf eines Decoders setzt. Der Jurist sieht da "nicht unerhebliche Bedenken" wegen des Gleichheitsgebots der Verfassung: nicht nur für Menschen ohne Decoder für den ORF, sondern auch für jene ohne Internetanschluss, die nicht auf ORF-Onlinedienste zugreifen können.

Österreichs Modell - tausche Programm gegen Geld - ist ein "europaweiter Ausnahmefall". Das spricht für "umfassende Neugestaltung".

Variante 1: Auch das Programmentgelt auf Empfangsgeräte einzuheben wie die Rundfunkgebühr, unabhängig vom tatsächlichen Empfang. Kogler sieht da jedoch "erhebliche Zweifel an der Sachlichkeit" , wenn ein Drittel der Haushalte keinen Internetzugang hat.

GIS überflüssig

Variante 2: eine "geräteunabhängige Haushaltsabgabe" , wie sie auch Deutschland überlegt, Finnland für 2011 plant, Frankreich ähnlich über die Wohnungssteuer einhebt, die Niederlande über die Einkommenssteuer, Griechenland und Zypern via Stromrechnung.

Kogler erkennt kein Problem, dass Haushalte zahlen müssten, die "bisher (angeblich) auf Radio und Fernsehen verzichteten" : "Dem Gesetzgeber ist es erlaubt, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen." Befreiungen für Bedürftige, für Seh- und Hörbehinderte blieben möglich. Die GIS-Fahnder bräuchte man nicht mehr, ihre 3,25 Prozent auf die Gebühr für deren Einhebung entfiele.

Wo liegt "Sprengstoff" ? Bund und Länder (bisher Nutznießer) müssten sich zur Neuregelung einigen. Der ORF bestimmte nicht mehr die Gebührenhöhe (die Medienbehörde muss sie künftig wegen EU-Vorgaben ohnehin absegnen). Die EU müsste die "neue Beihilfe" absegnen. Und: Die Regierung müsste eine neue Steuer rechtfertigen.

Josef Ostermayer (SP), Medienstaatssekretär im Kanzleramt, klingt nicht danach:"Ich befürworte das duale Modell der Mischung von Gebühren und Werbeeinnahmen. Es zahlen jene, die auch Leistungen in Anspruch nehmen." Präziser wäre: technisch in Anspruch nehmen können. Bei der ÖVP hieß es, es sei momentan keine Änderung angedacht. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 17./18.10.2009)