In einem Punkt muss man der Lehrergewerkschaft - auch wenn sie sich durch die eine oder andere Aktion im letzten Jahr selbst disqualifiziert hat - ausnahmsweise einmal rechtgeben: Erste Instanz bei der Kindererziehung sind und bleiben - ob sie es wollen oder nicht - immer noch die Eltern einer Schülerin oder eines Schülers.

Das Image der Lehrer in der Öffentlichkeit ist am Boden, aber was ist eigentlich mit den Eltern? In der Debatte um das ideale Bildungssystem und die "Schule der Zukunft" hört man immer nur von der Verantwortung der Lehrer und den Schwierigkeiten im Klassenzimmer. Die Eltern beteiligen sich meist in der Form, dass sie eine gewisse "Faulheit" bei den Lehrern orten. Doch wie sieht es eigentlich mit der Erziehungs-Faulheit der Eltern aus?

Das Problem sind nicht die "verhaltensauffälligen Kinder" an den Schulen sondern in den meisten Fällen deren Eltern. Diese delegieren Erziehungsaufgaben oft mit einer nahezu unverschämten Selbstverständlichkeit an die Schule und wundern sich dann, wenn nicht alles so reibungslos abläuft, wie angenommen. Das Resulat sind Kinder, die dann von Lehrerseite dafür bestraft werden, von ihren Eltern niemals Grenzen gesetzt bekommen zu haben oder auch Zuwendung erfahren zu haben.

Beruflicher Druck und Stress machen es heutzutage schwierig sich den Kindern ausgiebig zu widmen, deshalb braucht es auch Ganztagsschulen, die damit zwangsläufig mehr Betreuungs- und Erziehungsaufgaben übernehmen. Trotzdem: ein Mindestmaß an Kommunikation mit Lehrern und der Schule kann und muss von jedem Elternteil erwartet werden. Doch manchmal scheint nicht einmal der Besuch des Sprechtages für Eltern von Interesse zu sein.

Das Gegenteil ist allerdings genausowenig erstrebenswert: Eltern, die dauernd die Hausübungen ihrer Kinder kontrollieren und bei jeder Notengebung den Lehrer kontaktieren. Wichtig wäre es, ein innerfamiliäres Klima zu schaffen, in dem Kinder Selbsständigkeit lernen und Neugier und Interesse an verschiedenen Themen entwickeln. Ein Klima, in dem ein Buch einen ebenso hohen (wenn nicht höheren) Stellenwert hat wie der Fernseher.

Wenn die Gewerkschaften nun verstärkte Straf- oder Sanktionsmaßnahmen fordern, dann nicht deshalb, weil sie den "bösen Lehrer" spielen wollen, sondern weil sie sich offensichtlich wirklich nur mehr schwer zu helfen wissen. Dass durch verstärkte Strafen und Ausschlüsse Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern nicht unbedingt besser werden, ist klar. Ebenso klar muss aber mittlerweile der Öffentlichkeit und auch der Politik sein, dass hier an den Schulen etwas im Argen liegt. Begegenen kann man dem nur, wenn man auch Ressourcen dafür in die Hand nimmt. Sanktionsmöglichkeiten alleine reichen nicht. Es braucht viel mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter, die sowohl Eltern als auch Lehrern helfend unter die Arme greifen.(edt/derStandard.at, 16.10.2009)