Berlusconi will "im Eiltempo" 20.000 Haftplätze schaffen - Von Gerhard Mumelter aus Rom

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Neu ist es keineswegs, das Elend des italienischen Strafvollzugs. Seit Jahren drängen sich zehntausende Häftlinge in den meist antiquierten Gefängnissen der Halbinsel. Immer wieder gab es Notlösungsversuche. Ein 2007 beschlossener Strafnachlass brachte nur vorübergehend Erleichterung.

65.000 Häftlinge - 43.000 Plätze

Nun ist die Zahl der Häftlinge auf einen Rekord von 65.000 geklettert. Eine weitere Amnestie kann sich Silvio Berlusconis Partei, beim letzten Strafnachlass federführend, nicht leisten. Unter Zugzwang bringt die Regierung auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das einem Häftling Wiedergutmachung für "menschenunwürdige und erniedrigende Haftbedingungen" zuerkannte - ein Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen.

Weil Italiens Gefängnisse nur über 43.000 reguläre Plätze verfügen, könnten tausende Häftlinge diesem Beispiel folgen. Die Höhe der möglichen Klagen wird auf 65 Millionen Euro geschätzt.

Gefängnisbau im Eiltempo

Premier Silvio Berlusconi kündigte am Mittwoch den "unverzüglichen Bau" neuer Gefängnisse an. In nur drei Jahren soll "im Eiltempo der Neubauten für die Erdbebenopfer" Raum für rund 20.000 Häftlinge geschaffen werden. Alte Gefängnisse in Innenstädten sollen an Investoren verkauft werden, die als Gegenleistung entsprechende Neubauten errichten müssen.

8000 Häftlinge mehr pro Jahr

Die Zahl der Häftlinge steigt pro Jahr um 8000. Die Gewerkschaft der Vollzugsbeamten kritisiert die Lage als "hochexplosiv". Aggressionen und Selbstmordversuche seien "an der Tagesordnung".

Prozessdauer ist zu lange

Italiens Strafvollzug krankt vor allem an der Prozessdauer: Die Hälfte aller Häftlinge wartet auf ihr Verfahren.

Modernes Gefängnis in Kalabrien steht leer

In Kalabrien wartet dagegen ein 90 Millionen Euro teures Gefängnis seit mehreren Jahren auf seine Insassen. Der Grund: Der Neubau verfügt über keine geeignete Zufahrtsstraße. Dafür fehlt der Stadt Reggio Calabria das Geld.