Peking - Richtiges Zeitalter, "falsches" Aussehen: Einen weiteren Beleg dafür, dass die Evolution selten so geradlinig und vorhersehbar verlaufen ist, wie man dies früher gedacht haben mag, fanden Paläontologen im Osten Chinas. Nahe der Stadt Zhucheng seien seit Beginn des Jahres mehr als zwanzig versteinerte Skelette von bisher unbekannten Flugsauriern gefunden worden, berichtete am Mittwoch die renommierte britische Wissenschaftszeitung "Proceedings of the Royal Society B". Die bislang unbekannte Spezies, die vor etwa 160 Millionen Jahren lebte, wurde zu Ehren des vor 200 Jahren geborenen Evolutionsforschers Charles Darwin "Darwinopterus modularis" getauft. Und sie erfüllte die nicht ganz die Erwartungen, die man wegen ihres Alters in sie gesetzt hatte.

Illustration: Lü Junchang

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Flugsaurier bzw. Pterosaurier entwickelten sich zu zwei grundlegenden Erscheinungsbildern: Eine kleinere und ältere Form mit langen Schwänzen und kleinen Köpfen (die Rhamphorhynchoidea) und eine mit kurzen oder gar keinen Schwänzen, dafür aber verlängerter Kopf- und Halspartie, die sich aus der ersten Gruppe entwickelte. Anders als ihre kleinen Vorläufer, die im Jura ausstarben, existierten die letzten Vertreter der zweiten Gruppe (Pterodactyloidea) bis zum Ende der Kreidezeit, als sie mit den Dinosauriern ausstarben. Zu diesen Pterodactyloidea gehören die größten Tiere, die sich jemals durch die Lüfte geschwungen haben - mit Flügelspannweiten von bis zu 12 Metern (hier im Bild ein Pteranodon links und der gigantische Hatzegopteryx rechts).

Illustration: AP Photo/Johns Hopkins University, Mark Witton

Darwinopterus auf der Jagd

Dem Alter nach fiel Darwinopterus in die Phase, als sich die zweite Gruppe aus der ersten entwickelte - man wäre also davon ausgegangen, dass er in Bezug auf seine körperliche Erscheinung eine Mittelstellung zwischen den beiden Gruppen einnahm (mittelgroßer Körper, mittellanger Schwanz). Statt dessen verfügte das Tier, das nur etwa die Größe einer Krähe hatte und vermutlich Jagd auf noch kleinere Flugsaurier machte, über einen langen Schwanz wie seine Ahnen - zugleich aber eine Kopfpartie, die der moderneren Entwicklungslinie entsprach. Hier war nicht nur ein einzelnes Merkmal, sondern gleich das ganze Ensemble auf den "neuen Stand" gebracht. "Es ist, als hätte jemand gesagt: Lasst uns diese beiden zusammennageln und eine Art Chimäre machen, die jeden verwirren wird", fasst Dave Unwin von der britisch und chinesisch zusammengesetzen Paläontologengruppe den Fund zusammen.

Gefunden wurden die Darwinopterus-Fossilien in einem 500 Meter langen und 26 Meter tiefen Graben, berichtete die chinesische Zeitung "Jilu Evening News". In diesem Graben gebe es tausende versteinerter Knochen aus dem Mesozoikum. (APA/red)

Abstract
Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences: "Evidence for modular evolution in a long-tailed pterosaur with a pterodactyloid skull"

Illustration: Mark Witton, University of Portsmouth