Rom - Der vor zwei Wochen begonnene Prozess gegen zehn aktuelle und ehemalige Vertreter des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) wegen des Dopingskandals bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin wird am Freitag in Italien fortgesetzt. Vor dem Gericht in der piemontesischen Stadt Susa nahe Turin wird voraussichtlich erneut Biathlon-Direktor Markus Gandler anwesend sein, alle anderen Angeklagten, unter ihnen auch Präsident Peter Schröcksnadel, lassen sich durch ihre Anwälte vertreten.

Die erste Prozessrunde Anfang Oktober waren mehr oder weniger ergebnislos verlaufen, weil die Verteidigung die Nicht-Übersetzung zahlreicher Unterlagen in die italienische Sprache moniert hatte. Richterin Alessandra Danieli hat nun vorerst die Einwände der Verteidigung über die Nichtverwertbarkeit der Dokumente aber zurückgewiesen. 1.914 der insgesamt über 3.600 Seiten verschiedener Rechtshilfeverfahren aus dem Deutschen, Französischen und Englischen wurden von der Turiner Staatsanwaltschaft nicht ins Italienische übersetzt.

"Ungleichgewicht zwischen Verteidigung und Anklage"

"Damit wird das Verteidigungsrecht stark beschnitten. Bisher hat die Richterin alle unsere Einwände abgelehnt. Es ist unübersehbar, dass ein unerklärliches Ungleichgewicht zwischen Verteidigung und Anklage besteht", betonte der Südtiroler Rechtsanwalt, Wolfgang Burchia.

Mehrere Dokumente des Internationalen Skiverbands FIS, die unter anderem zur Entlastung Schröcksnadels vorgelegt wurden, seien nicht übersetzt worden und daher für die Richterin nicht einmal verwendbar. "Es ist unfair, dass man mit österreichischen Staatsbürgern vor Gericht so umgeht", meinte Burchia. Die Verteidiger der Österreicher wollen den Zeugen der Staatsanwaltschaft erst Fragen stellen, nachdem die fremdsprachigen Dokumente ins Italienische übersetzt sind. "Vor Beginn jeder Gerichtsverhandlung werden wir daher die Nichtigkeit dieses Prozesses und der Zeugeneinvernahmen erneut einwenden", erklärte Burchia.

Am Freitag sollen in Susa Zeugen der Turiner Staatsanwaltschaft vernommen werden. Befragt werden Polizisten, die im Februar 2006 während der XX. Olympischen Winterspiele in Turin in einer im österreichischen Sport beispiellosen Aktion die Quartiere der ÖSV-Langläufer und -Biathleten in Pragelato und San Sicario durchsucht hatten. Vernommen werden auch einige Personen, die den österreichischen Athleten die Unterkünfte vermietet hatten.

Zwei Jahre Haft drohen

Angeklagt sind bei diesem Prozess neben dem Verbands-Chef und Gandler auch der Ex-ÖSV-Coach Walter Mayer, der ehemalige Langlauf-Cheftrainer Emil Hoch, der Sportmediziner Peter Baumgartl, sowie von Athletenseite die Ex-Biathleten Wolfgang Perner und Wolfgang Rottmann sowie die Langläufer Martin Tauber, Johannes Eder und Jürgen Pinter. Laut Anklageschrift wird Schröcksnadel und Gandler Begünstigung von Doping vorgeworfen. Die Athleten werden des Gebrauchs von Dopingmitteln beschuldigt. Ihnen drohen laut Artikel 9 des italienischen Anti-Doping-Gesetzes bis zu zwei Jahren Haft, die jedoch im Rahmen des allgemeinen Strafnachlasses ohnehin nicht zur Anwendung kommen werden.

Man habe absichtlich Quartiere außerhalb des Olympischen Dorfes angemietet, um dort Regelverstöße begehen zu können, lautet der Vorwurf des bekannten Turiner Staatsanwaltes Raffaele Guariniello, der in den vergangenen Jahren unter anderem einen Doping-Prozess gegen hochrangige Vertreter des Fußball-Clubs Juventus Turin geführt hat. Auch 30 andere Nationen haben in San Sicario und Pragelato Quartiere angemietet. Warum aber nur das österreichische Team einer Kontrolle unterzogen wurde, ist bis dato ungeklärt geblieben.

Wie lange der Prozess dauern wird, ist angesichts der langen Verfahrenszeiten in der italienischen Justiz schwer absehbar. Vorerst ist ein weiterer Termin für den 25. November angesetzt. Mit einem Urteil ist nicht vor dem nächsten Jahr zu rechnen. (APA)