Kabul - Wenige Tage vor der erwarteten Kundmachung des Ergebnisses der umstrittenen Präsidentenwahl in Afghanistan ist ein Mitglied der Wahlprüfungskommission zurückgetreten. Nach seiner Überzeugung mische sich das Ausland in die Arbeit des Gremiums ein, sagte am Montag Mustafa Baraksai, einer der beiden afghanischen Vertreter in der Kommission. Ohne diese Einflussnahme hätte sich das Endergebnisses nicht verzögert, begründete er seine Einschätzung. Ähnlich hatte sich Präsident Hamid Karzai geäußert, als dessen Unterstützer Baraksai diplomatischen Kreisen zufolge gilt. Kommissionschef Grant Kippen, der ebenso wie zwei weitere Mitglieder von den Vereinten Nationen ernannt wurde, zeigte Unverständnis für die Kritik.

Die Wahlprüfungskommission änderte unterdessen zum zweiten Mal innerhalb weniger als einer Woche ihre Regeln zur Gewichtung mutmaßlich manipulierter Stimmen. Anders als zwischenzeitlich geplant solle bei der Auszählung nicht berücksichtigt werden, welcher Kandidat am stärksten von Unregelmäßigkeiten profitiere. Damit kehrte die Kommission zu ihrem ursprünglichen Regelwerk zurück, das Kritik ausgelöst hatte, weil es Amtsinhaber Karzai zugutekommen könnte. Die Wahlaufseher hatten die Neuauszählung etwa eines Viertels aller Stimmzettel angeordnet; von den beanstandeten Voten entfielen rund 75 Prozent auf Karzai.

Laut dem vorläufigen Endergebnis von Mitte September hat Karzai 54,6 Prozent der Stimmen erhalten. Nach Einschätzung von EU-Beobachtern könnten etwa 1,5 Millionen der Stimmen gefälscht gewesen sein. Die Betrugsvorwürfe führten zu stichprobenartigen Neuauszählungen. Sollte die Wahlprüfungskommission zu dem Ergebnis kommen, dass Karzai besonders stark von Unregelmäßigkeiten profitiert habe, könnte sie sein Ergebnis unter 50 Prozent drücken und damit eine Stichwahl gegen Ex-Außenminister Abdullah Abdullah erzwingen. (APA/Reuters)