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Foto: Archiv

In Wien wird soeben das Stück "Herbstlohnrunde" gegeben. Dazu gehören kräftige Forderungen der Sozialpartner samt Warnungen davor sowie daran gescheiterte erste Sitzungen, ernste Mienen der Verhandler und Zwischenrufe von Experten. Letztere betonen wahlweise die Bedeutung der Massenkaufkraft als Konjunkturstütze oder der Arbeitsflexibilität aus Wettbewerbsgründen. Regierungsstimmen beteuern treuherzig, dass alles Sache der Sozialpartner sei, in die man sich bestimmt nicht einmischen wolle.

Nach etwas Theaterdonner und nächtlichem Ringen kommt es im letzten Akt zum gewohnten Kompromiss, den beide Seiten wortreich als gerade noch akzeptabel bzw. tragbar verteidigen. Der Vorhang fällt vor mäßig begeistertem Publikum. Der Bedeutung ihrer Rollen erneut versichert, lächeln die Darsteller erleichtert.

Trotz der Erstarrung der Sozialpartnerschaft im Ritual bleibt sie eine große Errungenschaft der Zweiten Republik. Sie wandelte die eruptiven Klassen-/Massenkämpfe auf den Straßen der 1930er-Jahre in friedliches Fingerhakeln von Funktionären am grünen Tisch. Der soziale Riss der Ersten Republik wurde gekittet.

Doch selbst diese legendäre Institution überholt sich, wenn sie nicht erkennt, dass ihre beiden Seiten jetzt einen gemeinsamen Kontrahenten haben: den gefräßigen Staat, das nimmersatte System.

Wird ein Bruttomonatslohn von 1600 Euro z. B. um 1,5 Prozent erhöht, dann mehren nur 12,50 Euro das verfügbare Nettoeinkommen. Weitere 11,50 Euro bereichern die Staatskasse. Die Arbeitgeberabgaben betragen dazu noch 7,50 Euro, womit der Staat mit 19 Euro zu über 75 % der größte Nutznießer sozialpartnerschaftlichen Feilschens ist. Da spielt die Regierung liebend gern den Zaungast, dem Millionen in den Schoß fallen. - Es wird Zeit, dass die Sozialpartner aufhören, an den Enden einer zu kurzen Decke zu zerren und anfangen, dem gefütterten Zaungast gemeinsam die Tugend der Genügsamkeit beizubringen. Damit der Kitt noch lange hält. (David Gulda, DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2009)