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Vaclav Klaus verweigert noch.

Foto: APA/EPA/Singer

Warschau/Prag/Brüssel - Eineinhalb Jahre lang hatte der polnische Staatspräsident Lech Kaczyñski die Partner in Europa mit dem Hinauszögern seiner Unterschrift unter den EU-Vertrag von Lissabon auf die Folter gespannt. Am Samstag zu Mittag machte der national-konservative Politiker für seine Verhältnisse geradezu eine 180-Grad-Kehrtwendung: In einem groß zelebrierten Festakt unterzeichnete Kaczyñski im Präsidentenpalast in Warschau den Vertrag, lobte die EU als "wunderbares Experiment", das gelingen werde, und schloss damit das Ratifizierungsverfahren in Polen ab.

"Heute ist ein sehr wichtiger Tag in der Geschichte Polens und der Europäischen Union", verkündete er in Anwesenheit von EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt aus Schweden, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek.

Er erinnerte daran, dass das Prinzip der Einstimmigkeit in der Union in den wichtigsten Fragen bestehen bleibe. Was die neue Grundrechtscharta im Lissabon-Vertrag betrifft, hat Polen bereits 2007 eine Ausnahmeregelung ausgehandelt (Premierminister war Präsidentenbruder Jaroslaw Kaczyñski).

Mit Bedenken gegen diese Grundrechtscharta begründet nun Tschechiens Präsident Václav Klaus seine Weigerung, den Vertrag zu signieren. Er behauptet, daraus ließen sich Eigentumsansprüche von Sudetendeutschen ableiten, die von den Beneš-Dekreten ausgeschlossen sind. Premierminister Jan Fischer wies das umgehend zurück: Es gebe "keine solchen Risken", der Präsident habe die Regierung nie konsultiert. Beobachter meinen, Klaus suche lediglich "einen Fluchtweg".

Prag hat nach dem Abschluss in Polen nun den "schwarzen Peter", der Druck der EU-Staaten steigt. EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek, früherer polnischer Dissident und Premier, reist diese Woche nach Prag, um Klaus zu überzeugen. In Warschau zeigte sich Buzek überzeugt, dass "in nicht ferner Zeit" alle 27 EU-Länder den Vertrag ratifiziert haben werden. Reinfeldt sagte, die Union könne sich Verspätungen nicht mehr leisten.

Das baldige Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages - möglichst mit 1. Jänner 2010 - spielt eine große Rolle in Hinblick auf die anstehende Auswahl der neuen EU-Kommissare, der Wahl eines EU-Präsidenten und eines EU-Außenministers.

Reinfeldt wollte beim EU-Gipfel Ende Oktober in Brüssel dazu möglichst Klarheit schaffen. Aber derzeit sieht es danach aus, als ob eine Entscheidung des tschechischen Höchstgerichts zu einer Klage von Klaus-freundlichen Senatoren gegen den Lissabon-Vertrag länger dauert. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2009)