Kiew - Das vom Kulturministerium und der staatlichen Moralkommission durchgesetzte Verbot von Sacha Baron Cohens Spielfilm Brüno brachte der Ukraine im Juli internationale Schlagzeilen ein. Doch nun nehmen auch selbsternannte Moralapostel des Landes die Sache in die Hand: Ende September wurde in Kiew die engagierte Galerie "Ja" durch einen Brandanschlag zerstört.

Kurz zuvor war in der Galerie über Brüno und über Die 120 Seiten von Sodom, einen ukrainischen Sammelband homosexueller Literatur, diskutiert worden. Offensichtlich sehr zum Missfallen der Attentäter, die in Anspielung auf den Buchtitel am Tatort das Graffito "Nein zur Sodomie!" hinterließen.

Nur wenige Wochen zuvor hatten Vertreter einer rechtsextremistischen Gruppierung, die sich in der Tradition des Nationalistenführers Stepan Bandera (1909- 1959) sieht, die Buchpräsentation von Die 120 Seiten von Sodom in Lemberg gesprengt. Dieses Szenario wiederholte sich auch in einer Kiewer Buchhandlung.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Beim nächtlichen Anschlag auf "Ja" hatten die Täter erstmals auch menschliche Opfer riskiert. Nicht nur, dass auch die Ausstellung des jungen Charkower Malers Artjom Wolokitin verlorenging. "Wäre die Feuerwehr ein wenig später gekommen, hätten die Flammen auf benachbarte Wohnungen übergreifen können" , erzählt Galeriebesitzer Pawlo Gudimow, der in der Ukraine nicht zuletzt auch als Ex-Gitarrist der Kultband Okean Elsy bekannt ist.

In einer improvisierten Pressekonferenz solidarisierten sich am Tag danach zahlreiche Kulturschaffende mit der Galerie, die als einer der spärlich gesäten Orte für zeitgenössisches Kulturschaffen in Kiew gilt. Kritik gab es auch an der Polizei, die - so Menschenrechtsaktivist Maksim Butkewytsch - bei vorangegangenen Vorfällen sehr lasch mit den Tätern umgegangen sei.

Das offizielle Kiew schweigt indes. Ganz anders Anne Duruflé, Kulturattachée an der französischen Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt: "Das ist insgesamt ein schlechtes Zeichen für die Ukraine, denn es zeigt, dass das Ausmaß an Intoleranz in diesem Land wächst. Der Präsidentschaftswahlkampf beginnt. Und man kann sich Sorgen machen, wie es hier weitergehen wird." (höll, DER STANDARD/Printausgabe 12.11.2009)