Bürgermeister Toth, Oberschützen: Verzicht auf rund 30.000 Euro Bruttogehalt.

Foto: Gemeinde Oberschützen

Die 2.300-Einwohner-Gemeinde Oberschützen kam im vergangenen Jahr zu unerwarteter Berühmtheit, weil man auf Aktien gesetzt hatte, die hohe Verluste einbrachten. Bürgermeister Günter Toth (ÖVP) verkündete daraufhin, im Jahr 2009 auf sein Bürgermeistergehalt zu verzichten. Maria Kapeller hat mit ihm über Verantwortung, Vertrauen und die Stimmung im Ort gesprochen.

derStandard.at: Sie haben unter anderem auf Meinl European Land Wertpapiere gesetzt und insgesamt rund 80.000 Euro verloren. 2009 verzichten Sie deshalb das ganze Jahr über auf Ihr Bürgermeistergehalt – insgesamt rund 30.000 Euro brutto. Woher kam diese Idee – wie schlecht war Ihr Gewissen?

Günter Toth: Also ich glaube es geht nicht um schlechtes Gewissen, sondern vielmehr um Verantwortlichkeit. Für eine kleine Gemeinde ist es natürlich nicht üblich, dass man in solche Veranlagungen geht. Ich denke, wir haben seinerzeit den Weg in die Veranlagung sehr professionell gewählt. Wir haben uns von unabhängigen Experten beraten lassen. Es waren keine Banken oder irgendwelche Strukturvertriebe, sondern Sachverständige, die uns hier begleitet haben. Die natürlich aber auch, zwar sehr vorsichtig, auf die Umstände hingewiesen haben, dass es auch Verluste geben kann. Aus der damaligen Situation war das sehr unwahrscheinlich; wie wir alle wissen, hat sich das alles letztendlich anders entwickelt.

Und was mich in dem ganzen Zusammenhang beschäftigt hat, war natürlich die Tatsache: Liegt hier auch eine Mitverantwortung von mir als Entscheidungsträger vor? Und ich denke, ich habe diese Grundsatzfrage falsch entschieden – solche Veranlagungen gehören nicht in Gemeinden. Und das war dann für mich letztendlich ausschlaggebend, dass ich gesagt habe: Okay, dann liegt es auch an mir persönlich. Und daraus hab ich jetzt – nicht aus schlechtem Gewissen, sondern aus der Sicht, wie ich Verantwortung definiere – entschieden, dass ich hier einen Beitrag leisten will.

derStandard.at: Sollten Ihrer Meinung nach auch andere Bürgermeister Ihrem Beispiel folgen?

Toth: Wenn es vergleichbare Situationen geben würde. Die hat es aber aus meiner Sicht nicht gegeben. Aber insbesondere im Burgenland weiß ich, dass es zum Thema Devisenoptionen massive Probleme in Gemeinden gegeben hat. Dort sieht man aber jetzt, dass diese Situation einfach eine sehr sehr dramatische Beratungssituation vorausgesetzt hat, hier sind anscheinend Fehler bei der Beratung passiert. Es gibt dort auch schon Gespräche mit der zuständigen Bank, also das kann man sicher nicht vergleichen. Ich glaube, da muss man sehr aufpassen. Bei uns ist das eine sehr spezielle Situation gewesen. Mir geht es aber nicht darum, zu diskutieren, was andere machen, sondern darum, was in meiner Gemeinde wichtig ist.

derStandard.at: Das Land Burgenland hat reagiert und strenge Richtlinien für künftige Finanzgeschäfte aufgestellt. Was halten Sie davon?

Toth: Grundsätzlich glaube ich, dass das natürlich sehr wichtig ist. Aktien sind Aktien, das ist aber jetzt nichts Hochspekulatives. Wir haben keine Devisenoptionen gemacht, von denen hätte ich auch nichts gehalten. Grundsätzlich muss man sich in dem Zusammenhang natürlich immer wieder die Frage stellen: Welchen Weg geht man? Und für eine kleine Gemeinde ist der Weg in diese Bereiche natürlich sehr schwierig, ich würde sagen: unmöglich.

derStandard.at: Sie sind nach den Verlusten aus dem Geschäft ausgestiegen. Wird man in Oberschützen in Zukunft die Finger von riskanten Veranlagungen lassen?

Toth: Das weiß ich nicht, weil ich wahrscheinlich nicht ewig Bürgermeister sein werde.

derStandard.at: Werden während Ihrer weiteren Amtszeit solche riskanten Geschäfte ausgelassen werden?

Toth: Während meiner Amtszeit werde ich immer meine Stimme dafür erheben, solche Veranlagungen nicht zu machen. Wenn ich die notwendige Mehrheit dafür finde, dann wird das so sein. Ich kann das aber nie ausschließen, weil ich nicht weiß, ob das der Fall ist. Aber wenn Sie mich fragen, ob ich nochmals so eine Investitionsentscheidung treffen würde, sage ich eindeutig nein.

derStandard.at: Was waren die ersten Schritte, nachdem Sie von den Verlusten erfahren haben?

Toth: Wir haben uns natürlich mit unseren Beratern besprochen. Dieser Krisenverlauf ist sehr, sehr sprunghaft passiert, in den ersten Monaten war die Entscheidung, eher im Geschäft zu bleiben. Je weiter sich die Krise entwickelt hat, umso mehr ist es dann in diese Richtung gegangen: Wie gehen wir grundsätzlich damit um? Und das war eine Entscheidung, wo ich gesagt habe: So eine Grundsatzentscheidung, im Geschäft zu bleiben, wäre quasi eine Wiederholung des Fehlers. Ich habe das ja nicht alleine entschieden, aber de facto fühle ich mich sehr maßgeblich verantwortlich dafür und ich will den Fehler, den ich einmal begangen habe, nicht ein zweites Mal machen. Und deswegen haben wir gesagt: Wir steigen jetzt aus. Weil: Abzuwarten und davon auszugehen, dass sich alles erholen könnte – das ist wieder eine Entscheidung. Wir hatten hier Geldmittel veranlagt, die wir de facto aus dem Verkehr gezogen und in den sicheren Hafen geführt haben, damit keine weiteren Verluste mehr möglich sind.

derStandard.at: Was hat man Ihnen geraten? Wie werden Sie das Geld der Gemeinde in Zukunft veranlagen?

Toth: Wir haben Kredite damit getilgt, und wenn es Überhänge gibt, dann gehen wir momentan einfach auf das Sparbuch – Punkt, aus, Ende.

derStandard.at: Oberschützen ist eine kleine Gemeinde mit rund 2.300 Einwohnern. Wie hat sich die Medienpräsenz rund um die Spekulationsverluste auf die Stimmung im Ort ausgewirkt?

Toth: Diese plötzliche Medienpräsenz war natürlich überraschend für alle Beteiligten, weil das nicht zu erwarten war. Oberschützen wurde in dieser Zeit etwas auf die Tatsache beschränkt: "Okay, da sind jetzt Veranlagungsfehler passiert." Oberschützen ist aber sicher mehr als nur eine Gemeinde, die Veranlagungen durchführt. Der Ort hat sich gerade in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt und hat durchaus in verschiedenen Bereichen eine gewisse Vorbildfunktion für die Region. Und das ist natürlich von der Bevölkerung ein wenig befremdend aufgenommen worden, so dass man sagt: "Okay, jetzt gibt es ja in Oberschützen nicht nur Finanzveranlagung, Oberschützen ist ja bei weitem mehr."

derStandard.at: Was haben Sie als Bürgermeister und für sich persönlich aus den Erfahrungen gelernt?

Toth: Dass ich in keine Aktien investiere und dass ich grundsätzlich nur mehr Geld in einen Betrieb investiere, wenn ich den Geschäftsführer persönlich kenne.

derStandard.at: Das heißt, persönliches Vertrauen steht jetzt im Vordergrund?

Toth: Ja. Meine persönliche Entscheidung ist, dass ich so etwas einfach weglasse. Ich lebe besser und leichter. Es ist einfach klarer, was letztendlich mit Geldern, die ich persönlich habe, passiert. Wenn ich in ein Unternehmen investiere, das ich persönlich kenne und in dem ich die handelnden Personen persönlich kenne, besteht natürlich trotzdem ein Risiko. Aber ich habe mehr Einflussfaktoren, als wenn ich in einer anonymen Masse bin. (mak, derStandard.at, 12.10.2009)