Wien - Ein halbes Jahr vor den nächsten Wirtschaftskammerwahlen versucht die Grüne Wirtschaft, das seit langem als undurchsichtig, unmodern und minderheitenfeindlich gebrandmarkte Kammer-wahlsystem zu reformieren. Der Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, Volker Plass, hat kürzlich beim Wirtschaftsministerium - dieses ist die Aufsichtsbehörde für die Kammerwahl - Beschwerde eingebracht. Der Tenor: Die Mandatszuteilung sei gleichheitswidrig und sollte deshalb aufgehoben werden.

Der zuständige Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium, Anton Bernbacher, bestätigt den Antrag. Man habe die Wirtschaftskammer um Stellungnahme gebeten.

In 877 Einzelwahlen werden an vier Tagen in jedem Bundesland sowie auf Bundesebene die Funktionäre für 95 bis 105 Fachgruppen gewählt. Lediglich in der ersten, der "untersten" Ebene, findet eine Direktwahl statt; ab dann wird mehrere Stufen hochgerechnet, und zwar nach Mandaten, nicht nach Stimmen. Bis schlussendlich die Besetzung von 877 Gremien mit 17.000 Funktionären feststeht, könne von einem gleichen Verhältniswahlrecht nicht mehr die Rede sein. "Da geht es nicht mehr darum, dass man mit seiner Wahl den Funktionär bestimmen kann, der die Interessen am besten vertritt", kritisiert Plass.

Die Grundfrage, die die Grünen geklärt haben wollen, ist, ob der Modus, mit dem die Mandate zugeteilt werden, rechtens ist. "Dieser Modus steht nämlich nirgends", so Plass. "Da richtet man sich nach langjährigen Gepflogenheiten." So komme es, dass beispielsweise 166 Mitglieder in Salzburg fünf Mandate wählen können, während in Wien mit 1369 Mitgliedern vier Mandate besetzt werden.

Für Plass ist die Kammerwahl, die alle fünf Jahre stattfindet, symbolhaft für die steckengebliebene Kammerreform. Zwar sind bis 2005 fast ein Viertel des Wirtschaftskammerpersonals abgebaut und Doppelgleisigkeiten zwischen Bundes- und Landeskammern beseitigt worden. Nach wie vor aber gebe es "unnötige Zehnfachstrukturen". Beispiel: zehn Bäcker-Innungen sowie zehn Konditor-Innungen.

Die Grüne Wirtschaft, die zuletzt 4,3 Prozent der Stimmen hatte, sieht sich durch den Wahlmodus beeinträchtigt. Derzeit hält die Grüne Wirtschaft 400 Mandate, mehr wäre jedoch möglich, schätzt Plass. Da sich die Wirtschaftsstrukturen in Österreich stark ändern - weg von reinen Produktionsbetrieben hin zu Dienstleistung und Kreativwirtschaft -, sieht er ein Grün-Potenzial von zehn Prozent. "Dieses Potenzial gilt es auszuschöpfen." (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.10.2009)