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Als Menschenfischer zeigten sich social networks durchaus erfolgreich. Nur mit dem betriebswirtschaftlichen Erfolg will es noch nicht ganz klappen. Neue Geschäftsmodelle sind gefragt.

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Ein 41-jähriger New Yorker ist unlängst verhaftet worden. Der Grund: Er "zwitscherte" im Kurzmitteilungsdienst Twitter über Polizeiaktionen während einer Demonstration. Gleicher Schauplatz, andere Baustelle: Die Basketball-Eliteliga NBA untersagte ihren Spielern, während der Spiele Plattformen wie Twitter oder Facebook zu nutzen. Wer sich indes hierzulande davon überzeugen will, dass Armin Wolf auch als Eleve fleißig ist, kann das eine oder andere Basiswissen - etwa ob die Vortragende heute wieder einmal außerordentlich schnell spricht - heim tragen. Wer nicht weiß, was er mit solchem Wissen anfangen soll, ist vermutlich noch nicht ganz im digitalen Zeitalter angekommen. Unternehmen, die mit diesen so genannten Social Networks nichts anfangen können, ebenfalls.

Für letztere scheint die Rechnung zumindest auf den ersten Blick einfach: Viele Menschen bedeutet viele potenzielle Kunden bedeutet viel Geld. Weltweit geben 64 Prozent der Internetuser laut Werbeberater Universal McCann an, persönliche Profile auf Social-Network-Plattformen zu verwalten, in Österreich sind es immerhin 59 Prozent. Was einen dort umtreibt, hängt nicht zuletzt vom Gemüt ab. Die Bandbreite ließe sich kurz so umreißen: Vom Bassenatratsch über die Selbstdarstellung bis zu intellektuellem oder beruflichem Austausch ist da alles drin. Der User hat seine Freud' oder den Nutzen: Zahlen will er dafür - wie meistens im Internet - am liebsten nichts und muss das auch nicht: Der Zugang ist überwiegend kostenfrei.

Für die Betreiber der Social Networks liegen damit die Einnahmequellen nicht unbedingt auf der Straße. Vom schnellen Geld gar nicht erst zu reden, wie sich ob der recht wenig offenherzigen Unternehmenspolitik mutmaßen lässt. Schnellen auch die Unternehmenswerte mancherorts in unergründbare Höhen, gehen die Netzwerke selbst nicht allzu freigiebig mit ihren Kennzahlen um. Kryptisch äußerte sich zum Beispiel der StudiVZ-Chef Markus Berger-de León in einem Interview diesen Sommer: "Monetarisierung machen wir mit, ist aber nicht unser primäres Ziel. Wenn Umsatz unser primäres Ziel wäre, könnten wir ganz andere Umsätze erzielen." Genaue Zahlen, wie hoch diese nicht primär anvisierten Umsätze sind, findet man nicht, StudiVZ hat aber nach eigenen Angaben schon in einigen Monaten 2009 Gewinne erzielt. Fürs Gesamtjahr reiche es aber doch nicht für schwarze Zahlen.

Bittere Erkenntnis

"Gerade StudiVZ bleibt nicht viel anderes übrig, als sich in der offiziellen Kommunikation von Umsatzzielen zu entfernen", ist sich Karoline Simonitsch, Expertin für New Media, sicher. Der deutsche Marktführer wurde 2007 von der Holtzbrinck-Verlagsgruppe übernommen, mit der Hoffnung auf betriebswirtschaftlichen Erfolg. "Dann mussten sie aber bitter zur Kenntnis nehmen, dass man damit keinen Umsatz machen kann. Man musste also die Strategie ändern: Jetzt haben wir das Ding schon mal, jetzt ergründen wir das Nutzungsverhalten und schauen weiter", erklärt Simonitsch die Strategie. Mittlerweile setzt die VZ-Gruppe auf Diversifikation: Mit SchülerVZ, StudiVZ und MeinVZ versucht man, die User da abzuholen, wo sie gerade stehen.

Marktführer Facebook hat laut Firmenchef Mark Zuckerberg im vergangenen Quartal zumindest einen positiven Cashflow erzielt. Die laufenden Einnahmen aus dem operativen Geschäft haben damit die Ausgaben der Plattform zum ersten Mal überstiegen. Unter dem Strich steht freilich noch immer ein Verlust - wie hoch der ist, behält man dezent für sich. Der Umsatz soll heuer jedenfalls bei 500 Millionen Dollar (340,6 Millionen Euro) liegen, um 70 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Microblogging-Dienst Twitter hingegen will sich bei Investoren 100 Millionen Dollar (68,2 Mio. Euro) besorgen. Zumindest einem potenziellen Investor scheint das Unternehmen, das vernachlässigbare Umsätze vorzuweisen hat, eine Milliarde Dollar Wert. Das Startup aus San Francisco sucht noch nach einem tragfähigen Geschäftsmodell.

An Usern hingegen mangelt es nicht; Twitter hat 20 Millionen, Facebook 300 Millionen, StudiVZ 15 Millonen. Derzeit sind die Zahlen nach einem rasanten Wachstum zuletzt leicht rückläufig. Was man von den Nutzern weiß, ist nicht wenig. Zum Beispiel setzt international fast ein Drittel Social Networks beruflich ein, in Österreich sind es 18 Prozent. Der Durchschnittsnutzer der weltweit größten Plattform, Facebook, hat durchschnittlich 70 Freunde zu bedienen und liegt damit weit unter dem internationalen Durchschnitt mit 120. Mit den 300 Millionen aktiven Nutzern ist das Unternehmen komfortabel in der Pole Position. Auch in Österreich.

Wechsel an der Spitze

Das war nicht immer so. Hierzulande war zunächst MySpace der Liebling der Comunity. Heute ist die Plattform laut RZB-Analyst Christian Hinterwallner "so etwas wie ein Zombie 2.0. Da sind sehr viele Karteileichen drinnen." Mittlerweile sei MySpace zum Tummelplatz für Kreative und Musiker "degradiert". Die Masse wanderte zu Facebook. Einer der Gründe laut Hinterwallner: "Es war sehr viel Spam im System. Bei Facebook ist der Großteil der User mit eigenem Namen angemeldet." Diesbezüglich werde rigoroser vorgegangen. Facebook sei zudem innovativer in Sachen Applikationen, "und es ist aufgeräumter". Nicht jedermann dürfte an der Tatsache, sich die eigene Seite à la MySpace selbst zu designen, Geschmack gefunden haben. "Ein Zusatznutzen ist wohl, dass man seine Bekanntschaften in Echtzeit verfolgen kann." Unter der Usermigration zu Facebook litte auch StudiVZ, sagt Hinterwallner. Wer am Ende als Sieger dasteht, ist aber noch keineswegs ausgemachte Sache. Laut Wissensmanagement-Experte und Leiter des Instituts für Vernetzte Medien von Joanneum Research,  Klaus Tochtermann, haben einmal mehr die Big Player ihre Finger im Spiel: "Das Kapital wird von großen Unternehmen gehoben, die sind da sehr findig. Natürlich besteht die Angst, dass Google das Microsoft der Internetwelt wird, denn die sammeln alle Daten."

Derzeit sei ohnedies alles im Fluss - und das werde wohl noch länger so bleiben, ist RZB-Mann Hinterwallner sicher. Der australische Medien-Mogul Rupert Murdoch drehte jedenfalls MySpace zuletzt einige Büros zu, weil die Internet-Werbeeinnahmen ebenso wie die Userzahlen deutlich eingebrochen waren. Durchaus möglich, dass Fox Corp. (Murdoch) trachtet, die Chose loszuwerden. Von Marginalisierung bedroht sei auch StudiVZ, Twitter könnte in einem anderen großen Anbieter aufgehen, mutmaßt Hinterwallner: "Ich glaube nicht, dass die User dafür bereit sind, Geld zu zahlen, um letztendlich dafür Werbung zu kriegen." Simonitsch glaubt, dass Twitter es mit Werbeeinschaltungen auf jeden Fall probieren werde, als Geschäftsmodell werde das aber auch hier nicht reichen. Eine Möglichkeit sieht die New-Media-Expertin in einem Revenue-Share-Modell, einer Art Vermittlerprovision. So verlautbarte beispielsweise der US-Computerhersteller Dell unlängst, mehr als drei Millionen Dollar weltweit mit Nutzern eingenommen zu haben, die auf Twitter veröffentlichte Dell-Nachrichten anklickten und anschließend Produkte über e-Shops kauften. Aber: "Was hat Twitter davon?", fragt Simonitsch zu Recht. Möglicherweise sei hier aber das neue Geschäftsmodell für Twitter im Speziellen, aber sicher auch für andere Social Networks zu finden, eben über Revenue Share.

Neues Zeitalter

Doch selbst dahin ist es ein weiter Weg. Unternehmen, die den Vertriebskanal Social Network nutzen wollen, scheitern meistens an sich selbst: "Die Entscheidungsträger haben oft keine Ahnung, was in den Netzwerken abläuft, wie und vor allem warum es funktioniert. Und genau so macht man dann einfach auf Web 2.0, ohne vorbereitet zu sein", so Simonitsch.

Mit klassischen Werbemethoden wie Bannern laufen Unternehmen gegen die Wand. Communities sind keine Kommerzialisierungssysteme, ganz im Gegenteil wehren sie sich mit Händen und Füßen dagegen. Simonitsch sieht hier generell eine große Veränderung auf den Werbe- und Vertriebsmarkt zukommen: "Man kann Kunden nicht mehr so leicht instrumentalisieren. Ich glaube, wir treten da in ein neues Zeitalter ein: Der Kunde bestimmt, nicht mehr die Unternehmen. Dazu tragen auch die social networks maßgeblich bei."

Insgesamt bleibt die Sache in Bewegung, ist Klaus Tochtermann sicher: "Da wird in Zukunft sehr viel passieren, weil sich die Unternehmen öffnen." Und das tun sie tatsächlich. Neben Dells Versuchen mag als ironische Indiz die Tatsache gelten, dass Sony seinen Fernseher, nicht mehr im Fernsehen sondern auf entsprechenden Plattformen im Internet bewirbt. Die Freizügigkeit der User kommt den Unternehmen letztendlich wohl mehr als entgegen. "Da lässt sich punktgenau die Werbung auf die Community zuschneiden, weil die User unglaublich viel preisgeben", führt Tochtermann ins Treffen. Werbung - die Haupteinnahmequelle der Plattformen - wird diese vermutlich auch bleiben, glaubt RZB-Analyst Hinterwallner: "Die größte Fantasie ist einfach bei Internet immer durch Internet-Werbung gegeben." Das sei wohl bei Social Networks nicht anders. Zumindest bei Internet-Riesen wie Google reicht das eindeutig aus."

Wer es aber schafft, einen Zusatznutzen zu bieten, könne dafür auch "Eintritt" verlangen, so Hinterwallner. Gratismentalität im Internet auf oder ab. Das Business-Netzwerk Xing etwa schafft es schon - mittels mehrerer Säulen -, profitabel zu sein. Im ersten Halbjahr 2009 erzielte das Unternehmen einen Gesamtumsatz von 21,54 Millionen Euro, um 35 Prozent mehr als im Vorjahr, und einen operativen Halbjahresgewinn von 5,9 Millionen Euro. Verdient wird nicht nur mit Werbung, sondern zusätzlich durch Stellenausschreibungen und rund acht Prozent der User zahlen für einen Premiumaccount. Ein Geschäftsmodell, das sich allerdings kaum auf andere, bereits bestehende Netzwerke umsetzen lässt. "Für Xing funktioniert das sehr gut. Aber Bezahlen für Facebook zum Beispiel ist undenkbar", glaubt Simonitsch.

Als großer Player werde wohl dennoch Facebook übrig bleiben, meint Hinterwallner: "Inwieweit das ein Player à la Google wird, da bin ich noch vorsichtig. Vom Potenzial ist es das Netzwerk, das es schaffen könnte. Aber das ist sicher noch ein weiter Weg." Auch Simonitsch stimmt in diesen Tenor ein. Eine Konsolidierung am Markt sei unumgänglich, der Trend gehe hin zu "internationalen", sprich großen Netzwerken. (Regina Bruckner, Daniela Rom, derStandard.at, 11.10.2009)