Wien - Der Markt für Börsengänge (IPO) kommt wieder in Schwung. In den USA gibt es derzeit gleich zwei Debüts, die Hoffnung auf ein Erstarken des Kapitalmarkts nähren. Die brasilianische Tochter des spanischen Banco Santander hat am Mittwoch bei ihrem Börsengang 8,5 Milliarden Dollar (5,7 Mrd. Euro) eingenommen und damit seit dem IPO von Visa vor eineinhalb Jahren den größten Börsengang in den USA hingelegt und damit auch einen brasilianischen Rekord aufgestellt.

Auch der US-Spezialist für Versicherungsmathematik, Verisk Analytics, hat bei seinem Börsendebüt Anfang Oktober knapp 1,9 Milliarden Dollar (1,28 Mrd. Euro) eingenommen. Mit knapp zehn Milliarden Dollar bringen die beiden Börsengänge zusammen fast doppelt so viel Geld in die Kasse wie alle anderen IPOs in den USA in diesem Jahr. Und mit dem Biotech-Unternehmen Omeros steht bereits ein weiterer großer Börsengang in den Startlöchern. Geplant sind auch Neuemissionen von Colony Financial und Artio Global Investors (US-Vermögensverwaltung der Schweizer Bank Julius Baer).

Kauflaune und Psychologie 

Auffällig sei, dass sich in dem Land, in dem die Finanzkrise ausbrach, zunehmend auch wieder Finanzinstitute an die Börse trauen, sagen Experten. Profitieren dürften die Unternehmen von der Kursrally der Finanzwerte im vergangenen halben Jahr, sagt Analyst Dan Cummings. "Das Anziehen der Märkte ist wichtig für die Kauflaune der Investoren und die Psychologie."

Auf der Suche nach Investoren ist auch die teilverstaatlichte britische Bank Lloyds. Das Institut will über eine Kapitalerhöhung mehr als 16 Milliarden Euro aufnehmen. Die Bank halte derzeit Ausschau nach Investoren für die Bezugsrechtsemission, berichtet die Financial Times. Die Regierung - sie ist mit 43,5 Prozent an Lloyds beteiligt - will an der Kapitalerhöhung teilnehmen und weitere sieben Milliarden Euro in das Geldhaus stecken.

Erfolgsmeldungen vom Kapitalmarkt kommen auch aus China. Dort hat das Wohnbauunternehmen China State Construction Engineering Ende Juli mehr als fünf Milliarden Euro eingesammelt, das Hütten- und Baukonglomerat Metallurgical Corp of China hat in den vergangenen Tagen rund 3,5 Milliarden Euro geholt.

"Der Kapitalmarkt ist im Moment extrem liquide", sagt Eduard Berger, Analyst beim Brokerhaus CA Cheuvreux. Auch die Mittelzuflüsse in Aktien seien wieder angestiegen. Weil sich Investoren zuletzt risikoscheu gezeigt haben, seien große Cashpositionen zusammengekommen. "Dieses Geld muss angelegt werden", sagt Berger. Weil der Markt gut gelaufen sei, steige bei Investoren zudem die Bereitschaft, sich wieder an der Börse zu engagieren. Derzeit würden aber vor allem Optionen auf spätere Entwicklungen gekauft. Ausgesucht würden jene Unternehmen, die vom Erstarken der Konjunktur profitieren. Dazu zählt Berger etwa "gesunde Financials".

Erster großer Test

Für den Wiener Markt war die Kapitalerhöhung von Wienerberger Ende September (aufgenommen wurden 318 Mio. Euro) "der erste große Test". In Vorbereitung ist auch eine Kapitalerhöhung der OMV und auch die Erste Bank will über die Börse im November mindestens eine Milliarde Euro holen. Berger: "Wenn die Erste Bank im Osten wieder Geld verdient, werden die Erträge nach oben schnellen. Das ist es, worauf die Investoren jetzt hoffen." (bpf, DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2009)