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Noch kann Kulturminister Frédéric Mitterrand (mit Schirm) auf den Schutz durch seinen Mentor Nicolas Sarkozy (re.) zählen. Aber der Druck des eigenen Lagers auf den Präsidenten wächst.

Foto: Reuters/Fabi

Für Präsident Sarkozy wird die Sache ungemütlich.

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In Paris gärt eine unschöne Polemik, in der die einen den Kopf eines schillernden Ministers, die anderen ein Ende der Schlammschlacht fordern. Der einstige TV-Starjournalist Frédéric Mitterrand (52) hatte die Affäre selbst losgetreten, als er sich dezidiert hinter den französisch-polnischen Regisseur Roman Polanski stellte. Dessen Verhaftung in der Schweiz wegen einer 30 Jahre zurückliegenden "Geschichte" mit einer 13-Jährigen sei "absolut abstoßend", erklärte der Neffe des früheren Staatschefs François Mitterrand.

Skandalös sei vielmehr Mitterrands Hang zum Sextourismus mit jungen Knaben, polterte darauf die Rechtsextremistin Marine Le Pen. Die Tochter des Front-National-Gründers Jean-Marie Le Pen bezieht sich auf die Autobiographie Mitterrands, die 2005 unter dem Titel La mauvaise vie ("Das schlechte Leben") erschienen war.

Darin macht der heutige Minister kein Hehl aus seiner Homosexualität und seinen Reisen nach Thailand. Viel Staub hatte die Publikation 2005 nicht aufgewirbelt - doch seit seiner Ernennung zum Kulturminister im Sommer und seiner Stellungnahme zu Polanski findet die Buchpassage im Internet reißende Verbreitung. "Ich habe die Gewohnheit angenommen, für Knaben zu zahlen. Natürlich habe ich gelesen, was man über die Händel mit diesen Burschen schreibt. Ich weiß, dass daran viel Wahres ist. Aber das hindert mich nicht, zurückzukehren", schreibt er über seine Thai-Reisen. "All diese Rituale auf dem Markt der Epheben, auf diesem Sklavenmarkt, erregen mich mächtig. Man könnte ein solches Schauspiel von einem moralischen Standpunkt als abstoßend bezeichnen, aber es gefällt mir über jede Vernunft hinaus."

Vorwurf der Pädophilie

Konservative und katholische Internetforen monieren, diese Passage falle wegen Ausdrücken wie "Knaben" und "Epheben" (Jugendliche der griechischen Antike) in den Bereich der Pädophilie. Sextourismus sei es allemal. Einige Literaturexperten wenden ein, der Stil der Autobiografie mache klar, dass Realität und Fantasien vermengt würden.

Politisch ist die Konstellation der Mitterrand-Affäre äußerst brisant. Frankreichs Regierung kämpft mit Nachdruck gegen Sextouristen, Pädophile und Wiederholungs-Sexualverbrecher. Gleichzeitig ist der parteilose Mitterrand aber auch ein Symbol für die politische "Ouverture" von Staatschef Nicolas Sarkozy. Die engsten Vertrauten des Präsidenten verteidigen deshalb den Kulturminister eher, während konservative Regierungsvertreter stark räuspernd auf Distanz zu Mitterrand gehen. Die oppositionellen Sozialisten kritisieren Mitterrand deutlicher. Sie suchen zwar zu vermeiden, in das Kesseltreiben des Front National einzustimmen, doch einige Parteiführer verlangen den Rücktritt des Ministers. Sozialistensprecher Benôit Hamon sagte, es gehe nicht an, dass sich in Paris ein Minister "selbst als Kunde" oute, während Frankreich den Sextourismus bekämpfte.

Mitterrand erklärte am Donnerstagabend in der Haupttagesschau des größten TV-Senders TF1, sein Buch sei keine reine Autobiografie und verteidige weder den Sextourismus noch die Pädophilie. Auf die Journalistenfrage, ob er bezahlten Sex mit Minderjährigen gehabt habe, meinte er, er könne doch "einen 40-jährigen Boxer von einem Minderjährigen unterscheiden" . Er räumte aber "Irrtümer" ein, ohne sie zu benennen.

Mitterrand meinte auch, Sarkozy habe ihm das Vertrauen ausgesprochen. Der Staatschef, der das Buch bei der Ernennung Mitterrands im Juni "mutig und begabt" genannt hatte, möchte den populären Minister zweifellos nicht fallen lassen. Er kann es aber auch nicht mit seiner Regierungspartei UMP verscherzen, wo konservative Stimmen seinen Kurs seit längerem als zu "liberal" gerügt wird. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2009)