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"Bildnis Wally" (Ausschnitt)

Foto: APA/Stiftung Leopold

Seit Anfang 1998 befindet sich das "Bildnis Wally" von Egon Schiele aus der Sammlung Leopold in den USA in Verwahrung. Die Familie Bondi hatte bekanntlich die Rückgabe des im Museum of Modern Art ausgestellten Bildes gefordert. Das Verfahren ist nun an einem entscheidenden Punkt angelangt:

US-Richterin Loretta A. Preska lehnte nach der Beweisaufnahme die Anträge der Stiftung Leopold wie der US-Staatsanwaltschaft, eine Entscheidung aufgrund von Formalfragen zu treffen, ab - und besteht auf einen Geschworenenprozess. Die New Yorker Richterin trug den Streitparteien auf, sich zu besprechen. Bis zum 14. Oktober sollen sie dem Gericht bekannt geben, wie es weiterzugehen habe.

Der in den USA tätige Restitutionsanwalt Willi A. Korte kommentiert: "Die Anträge beider Seiten auf summary judgement, d.h. Entscheidung nur über die Rechtsfragen bei unstrittigem Sachverhalt, wurden vom Gericht abgelehnt. Die ganze Show geht jetzt in die Hauptverhandlung, d.h. Entscheidung durch eine Jury nach Verhandlung des ganzen Falles vor dem Gericht in New York. Laut Gericht ist unklar, ob Leopold bei der Einfuhr des Bildes in die USA wusste, dass es geklaut war. Sollten sich die Parteien nicht vorher vergleichen, können Sie schon mal ein Zimmer in New York buchen. Es kommen dann auf beide Seiten nochmals erhebliche Kosten zu und der gute Leopold muss dann vor einer New Yorker Jury eine gute Figur machen, damit die ihm glauben, dass sein Herz schon immer rein war."

Bei einer öffentlichen Verhandlung kommt es also de facto zu einer Beweislastumkehr: Rudolf Leopold muss nachweisen, dass er nichts vom Raub des Schiele-Bildes gewusst hat. "Leopold hat de facto verloren", meint Wolfgang Zinggl, der Kultursprecher der Grünen. "Jetzt liegt es an Kulturministerin Claudia Schmied zu verhindern, dass sich Leopold zu neuerlichen juristischen Hasardspielen auf Kosten der Steuerzahler in die USA begibt." Zinggl plädiert, das "Bildnis Wally" endlich zurückzugeben.

Die Stiftung Leopold gab lediglich bekannt, aus grundsätzlichen Gründen "keine Stellungnahme zu einem laufenden Gerichtsverfahren" abzugeben. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2009/ red)

>>> Chronologie des Falles "Bildnis Wally"

Seit Jänner 1998 sorgt das Tauziehen um das "Bildnis Wally" von Egon Schiele für Aufsehen. Im Anschluss die Chronologie der Ereignisse:

  • 9. Oktober 1997: Im Museum of Modern Art (MoMA) in New York wird die größte Schiele-Ausstellung, die je in den USA gezeigt wurde, eröffnet. Unter dem Titel "Egon Schiele: The Leopold Collection, Vienna" sind bis 4. Jänner 1998 152 Werke aus der Sammlung Leopold zu sehen.
  • 24. Dezember 1997: Der Kunstsammler Rudolf Leopold wird in einem Artikel der "New York Times" (NYT) beschuldigt, in seiner Sammlung Bilder mit "schwieriger Vergangenheit" zu haben. Leopold bezeichnet die Vorwürfe in einer ersten Reaktion als "Lügen von A bis Z".
  • 7. Jänner 1998: Die in der Ausstellung gezeigten Bilder "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" werden nach Ausstellungsende vom New Yorker Staatsanwalt Robert Morgenthau als "Diebsgut" beschlagnahmt, nachdem Henry Bondi und Rita Reif als Erben der ursprünglichen Besitzer für ihre Familien Ansprüche an die Bilder gestellt haben.
  • 12. Jänner 1998: Die restlichen 150 Bilder kehren aus New York nach Wien zurück. Die damalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (V) weist Bundesmuseen und Sammlungen an, die Archive für Recherchen über die Herkunft der Bilder zu öffnen.
  • 15. Jänner 1998: In den Akten des Wiener Stadt- und Landesarchivs finden sich Details zur Geschichte von "Tote Stadt III". Demnach wurde das Bild von der Schwägerin und eigentlichen Erbin des Vorbesitzers Fritz Grünbaum, Mathilde Lukacs, 1956 bei einem Berner Kunsthaus zum Verkauf gebracht.
  • 16. Jänner 1998: Nach Aussagen Rudolf Leopolds, dass sich 16 Schiele-Werke mit derselben Herkunft wie "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" heute in amerikanischen Museen oder Privatstiftungen befänden, kündigen das Museum of Modern Art (MoMA) und das Santa Barbara Art Museum in Kalifornien Untersuchungen an. Der Vorstand der Leopold Museum Privatstiftung lehnt unterdessen einen von Morgenthau vorgeschlagenen außergerichtlichen Vergleich ab.
  • 22. Jänner 1998: Das MoMA erhebt einen formalen Einspruch gegen die Beschlagnahme der Bilder. Mit dem Fall befasst ist Laura E. Drager, Richterin des Obersten New Yorker Gerichtshofes. Parallel dazu beginnt eine Grand Jury in nichtöffentlicher Sitzung mit der Erörterung der inhaltlichen Fragen der Causa.
  • 5. Februar 1998: Anhand der Kunstrestitutionsakte im Bundesdenkmalamt lässt sich der Weg von "Bildnis Wally" zurückverfolgen. Die Leopold Museum Privatstiftung zeigt sich "optimistisch", da aus den nun vorliegenden Akten hervorgehe, dass es beim Erwerb durch Leopold zu keiner strafrechtlich relevanten Handlung gekommen sei.
  • 10. April 1998: Der Erbschein, der die Familie Reif als Erben Fritz Grünbaums ausweist, wird in Berlin eingezogen, "da er die Erbfolge falsch ausweist". Damit dürfte die Familie Reif keinen Anspruch auf das Bild "Tote Stadt" haben.
  • 13. Mai 1998: Drager hebt die Beschlagnahme von "Bildnis Wally" und "Tote Stadt III" auf. In ihrem Urteil begründet sie dies mit der Anwendbarkeit des Arts and Cultural Affairs Law (ACAL), das Bilder ausländischer Verleiher vor jeder Art der Beschlagnahme schütze.
  • 13. Juli 1998: Morgenthau bringt Berufung bei der Appellate Division des New Yorker Supreme Court ein. Dabei bringt er vor, dass das ACAL auf Grund des strafrechtlichen Charakters des Falls gar nicht anwendbar sei. Außerdem müsse das MoMA beweisen, dass die Leopold Foundation keinen Gewinn aus der Ausstellung gezogen habe. Weiters müssten der Grand Jury die Bilder selbst als Beweismaterial zur Verfügung stehen, Fotos genügten dafür nicht.
  • 16. März 1999: Das New Yorker Berufungsgericht entscheidet, dass die Beschlagnahme der Schiele-Bilder rechtskonform ist. Die Bilder bleiben in New York.
  • 25. Juni 1999: Das MoMA bringt eine weitere Berufung beim Court of Appeals in New York ein.
  • 21. September 1999: Das New Yorker Berufungsgericht in Albany hebt die Beschlagnahme der beiden Schiele-Bilder auf. Das US-Justizministerium sorgt daraufhin für einen Knalleffekt, als es ankündigt, eine Voruntersuchung wegen des Gemäldes "Bildnis Wally" einleiten zu wollen. Das Bild "Tote Stadt III" wird hingegen am gleichen Tag vom Justizministerium freigegeben und trifft zwei Tage später in Wien ein.
  • 3. Dezember 1999: Das MoMA macht eine Eingabe im Fall des "Bildnis Wally" beim zuständigen Gericht in New York. Darin verlangt das Museum, das Verfahren einzustellen. Stephen Clark, ein Anwalt des MoMA, bezeichnet es als "unangebracht", dass die amerikanische Regierung eine zivilrechtliche "forfeiture action" (etwa: Verfallsverfahren) verfolge, die auf einem strafrechtlichen Tatbestand beruhe, obwohl es sich hier um einen zivilrechtlichen Streit handle.
  • 14. Jänner 2000: Die Leopold Stiftung beantragt in New York, die Klage auf Verfall des umstrittenen Egon Schiele-Gemäldes "Bildnis Wally" abzuweisen.
  • 19. Juli 2000: Der United States District Court in New York gibt dem Antrag der Leopold Stiftung auf Abweisung des Verfahrens statt. In der 17-seitigen Entscheidung durch den zuständigen Richter Michael B. Mukasey heißt es, dass "die für eine Beschlagnahme erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind", so die Stiftung. Das Verfahren sei daher einzustellen.
  • 28. Dezember 2000: Bundesrichter Michael B. Mukasey entscheidet, dass die US-Regierung ihre Bemühungen um den Verfall des Bildes fortsetzen könne. Eine auf neue Beweisführung gestützte neue Klage kann eingebracht werden. Obwohl es das grundsätzliche Bedürfnis nach Rechtsfrieden und Beendigung von Verfahren gebe, entspreche dieser vorliegende Fall eben nicht einem "gewöhnlichen Verfahren", erklärt Mukasey. Hier gehe es vielmehr um grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der Rückgabe der von den Nazis gestohlenen Güter.
  • 12. April 2002: Mukasey entscheidet, dass die strafrechtliche Klage der US-Regierung nicht abgewiesen wird. Das wiederum bedeutet, dass die US-Regierung vor Gericht ihren Standpunkt vertreten kann, wonach das das "Bildnis Wally" nach dem Zweiten Weltkrieg auf unrechtmäßigem Weg in den Besitz der Wiener Sammlung Leopold gekommen sei. Das Bild ruht weiterhin unter Verschluss im Depot des New Yorker Museum of Modern Art, übersiedelt später aber in private Verwahrung.
  • Oktober 2005: Das New Yorker Gericht trägt den Prozessparteien Einigungsgespräche auf, die aber im Frühjahr 2006 scheitern.
  • Oktober 2009: Richterin Loretta Preska hält einen Prozess für "gerechtfertigt". Beide Prozessparteien hätten sie mit Sachverhaltsdarstellungen nicht überzeugen können, ob es sich beim "Bildnis Wally" um Raubkunst handle oder nicht. Bis 14. Oktober sollen sie darlegen, ob sie einen Geschworenenprozess benötigen. Die Leopold Stiftung will in das Verfahren gehen. (APA)