Wien - Die Meisterklassen sind an den Kunstuniversitäten im deutschsprachigen Raum praktisch abgeschafft. Doch eine neuerliche Umstellung - nun auf die Bologna-Architektur - ist gerade an diesen Instituten kein reibungsloses Unterfangen: Der Vision eines offenen europäischen Bildungs- und Forschungsraumes stehen an der Akademie der bildenden Künste Wien Befürchtungen einer Bürokratisierung und Ökonomisierung der Ausbildung entgegen.

An der Akademie, an der jetzt schon mehr ausländische Studierende als an anderen Universitäten sind, diskutiert man intensiv, inwiefern Reformbedarf zur Internationalisierung besteht. Die vor kurzem gegründete Studenten-Initiative "irdei" (Initiative for the Re-Democratization of Educational Institutions) lehnt das Bachelor/Master-System ab. Gerade auf die Kunst-Uni scheint ihnen das Bologna-Schlagwort "employability" ("Arbeitsmarktfähigkeit") gar nicht zu passen. Die Akademie als Vorbereitung für die "creative industries" statt als Institution, die kritisches Denken abseits der eingefahrenen Muster lehrt? "Eigeninteressen oder Neigungen zählen nicht mehr, sondern nur die scheinbare Qualifikation aus möglichst auf den Arbeitsmarkt abgestimmten Studien - und alles, was nicht ökonomischen Interessen entspricht, kann dann ja abgeschafft werden", sagt Martina Pfingstl, Studentin an der Akademie, ehemalige ÖH-Vorsitzende und Mitglied im Senat.

Die letzten Semester an der Akademie waren von intensiven Diskussionen und von Protesten der Studierenden geprägt. Rektor Stephan Schmidt-Wulffen vertritt die Einführung eines zweistufigen Kunststudiums: "Es arbeiten zwei Prozent der Absolventen des Hauses tatsächlich als Künstler. Wir müssen das bei der Ausbildung berücksichtigen." Außerdem seien "mit dem Titel Bachelor noch keine Inhalte fixiert".

Die ÖH wirft dem Rektor vor, sich schon in der aktuell gültigen Leistungsvereinbarung, die 2007 beschlossen wurde und Ende des Jahres ausläuft, auf die Einführung der Bologna-Architektur festgelegt zu haben: "Die Akademie wird als erste Kunstuniversität im deutschsprachigen Raum diesen Schritt setzen und ab 2007 entsprechende Programme anbieten", heißt es dort. Daraufhin wurde der Bereich Architektur auf die Bachelor/Master-Struktur umgestellt. Die Leistungsvereinbarung wurde jedoch, so Pfingstl, ohne Mitsprache der Studierenden oder Lehrenden abgeschlossen - nur vom Uni-Rat "abgesegnet". Dass die neue Leistungsvereinbarung, die spätestens Ende des Jahres abgeschlossen sein muss, nun im Haus partizipatorisch verhandelt wird, erscheint angesichts dessen zynisch. Pfingstl: "Der Senat und die ÖH ist nun dazu da, scheindemokratische Prozesse zu legitimieren." Die Chance, für die Kunst-Uni ein alternatives Modell zu erarbeiten, ist damit geschrumpft. Einigen konnte man sich zuletzt auf ein Modell, das die bestehenden Diplomstudien beibehält und um sechs graduale und drei postgraduale Master ergänzt.

Doch das Wissenschaftsministerium drängt auf Umsetzung der Bologna-Struktur inklusive Bachelor: "Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, darunter auch die Schaffung eines Bachelorstudiums, das vier Jahre dauert." Diese Variante wird nun auch verhandelt. Schmidt-Wulffen sieht es als seine Aufgabe, "nach einem Konsens zu suchen." Bis Ende des Jahres hat er dafür Zeit. (Johannes Bode/ DER STANDARD, 08.10.2009)