"Es wäre ein Leichtes gewesen, die Mikrofonanlage nach dem Match gegen Funchal abzudrehen", meint Austria-Vorstand Markus Kraetschmer.

Foto: derStandard.at/Hirt

Hier beginnt der Privatgrund der Austria Wien. 30 Menschen sind innerhalb dieses Bereichs unerwünscht.

Foto: derStandard.at/Hirt

Wien - Ein verprügelter Anhänger im Spiel gegen Nacional Funchal, sich anzickende Fangruppen im Match gegen den SV Mattersburg, auf der Ost-Tribüne des Wiener Horr-Stadions geht es alles andere als harmonisch zu. Philip Bauer und Simon Hirt sprachen mit Austria-Vorstand Markus Kraetschmer über die Vorfälle der letzten Woche.

derStandard.at: Wenn es die Pflicht der Austria ist, die Sicherheit der Zuseher im Stadion zu gewährleisten, hat die Austria dann zuletzt ihre Pflicht vernachlässigt?

Markus Kraetschmer: Der Verein ist sich seiner Verantwortung bewusst. Wir zahlen sehr viel Geld für den Sicherheitsdienst und die Polizei. Für die zuständigen Behörden haben wir die Veranstaltungen korrekt abgewickelt. Vielleicht hätte man aber manches bezüglich bestehender Hausverbote besser kommunizieren müssen, um falsche Solidarität im Keim zu ersticken.

derStandard.at: Wie schätzen Sie mit einer Woche Abstand die Vorfälle beim Match gegen Nacional Funchal ein?

Markus Kraetschmer: Ich bin ein großer Anhänger der Demokratie. Wenn es also Proteste gegen den Verein oder auch meine Person gibt, etwa durch verkehrt aufgehängte Fanklub-Fahnen, werden wir das tolerieren. Das gehört dazu. Aber es gibt Spielregeln. Wenn also eine Person, die wir bisher für kooperativ hielten und die auch viel Positives für den Verein geleistet hat, einen Schlägertrupp zusammenstellt, um jemanden "abzustrafen" oder "abzumahnen", dann ist das für mich absolut unverständlich und traurig. Das kann es einfach nicht sein, dagegen muss man entschieden vorgehen.

derStandard.at: Ist diese Form der Repressalien eine Novität im Horr-Stadion?

Markus Kraetschmer: Auch als das Plakat "Pro Gewalt und Pyro" auf der Ost gehisst wurde, wurde mit solchen Methoden gearbeitet. Anschließend wurden uns Mails zugeschickt, in denen Fans meinten, sie hätten sich dabei zwar unwohl gefühlt, aber noch weiteren Bedarf an ihren Schneidezähnen. Es wurde also körperliche Gewalt angedroht, das ist grauslich.

derStandard.at: Eine vom Verein zur Verfügung gestellte Mikrofonanlage wurde vom Vorsänger dazu genutzt, einen Austria-Fan auszumachen und tätlich angreifen zu lassen. Ist das nicht der Punkt, wo Ihnen endgültig der Geduldsfaden reißt?

Markus Kraetschmer: Viele Dinge werden zu selbstverständlich genommen. Es ist bedenklich, wenn im Fanzentrum der Austria während der Woche vielleicht Plakate gemalt werden, um am Sonntag gegen den Verein zu protestieren. Da ist schon auch Chuzpe dabei. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Mikrofonanlage nach dem Match gegen Funchal abzudrehen, ich bin aber kein Freund des einfachen Weges. Sollten sich die Vorfälle in dieser Form wiederholen, kann das aber eine Konsequenz sein.

derStandard.at: Welche Konsequenzen hat es nach dem Match gegen Funchal tatsächlich gegeben?

Markus Kraetschmer: Der Vorsänger wird nicht mehr vorsingen. Er hat kein Hausverbot erhalten, unter gewissen Rahmenbedingungen darf er aber, weil er sich zuvor oft positiv eingebracht hat, weiterhin Spiele der Austria besuchen. Wir wollen niemandem zur Rolle des Märtyrers verhelfen.

derStandard.at: Das hört sich aber nicht übermäßig konsequent an.

Markus Kraetschmer: Wir haben uns die Entscheidung gewiss nicht leicht gemacht. Es war eine Reue erkennbar, auch wenn der offene Brief etwas unglücklich ist, weil er viele Dinge eher verschärft. Wir trauen der Person allerdings eine Rolle zu, in der sie verbindend wirken könnte.

derStandard.at: Jetzt könnte man annehmen, die Austria schreckt davor zurück, führende Fanklub-Mitglieder zu belangen.

Markus Kraetschmer: Das kann ich mit aller Bestimmtheit dementieren. Ein Hausverbot erteilen wir aber erst, wenn wir keine Hoffnung mehr auf eine Besserung sehen. Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen, sondern lieber eine Chance gewähren.

derStandard.at: Ob da alle Austria-Fans Verständnis zeigen werden?

Markus Kraetschmer: Viele werden mit Unverständnis reagieren. Aber wir müssen zwischen der Emotion und der Sache abwägen. Ich habe ein ganz klares Ziel: ich will die Rädelsführer und die Unverbesserlichen wegcutten, also mit einem Hausverbot fernhalten.

derStandard.at: Unverbesserliche wie zum Beispiel in Bilbao?

Markus Kraetschmer: (wird emotional) Was geht in einem Austria-Fan vor, um in Bilbao Karten für gewaltbereite Real Madrid-Fans zu besorgen, um sich in einen innerspanischen Konflikt einzumischen? Nur weil der ein Austria-Kapperl am Kopf sitzen hat, ist er kein Austrianer. Das sind Unruhestifter, die die Plattform benutzen. Ich bin nicht der Supergutmensch, der jeden bekehren will, aber mit denen werden wir abfahren, die wollen wir nicht mehr sehen.

derStandard.at: Ist die Liste der Hausverbote nach den letzten Ereignissen also länger geworden?

Markus Kraetschmer: Sie musste leider länger werden, statt 24 sind es nun 30 Hausverbote. Wir kennen die ersten Schläger vom Funchal-Match. Schon vor dem Spiel gegen Mattersburg wurden Leute des Stadions verwiesen.

derStandard.at: Auch bei dieser Begegnung kam es zu unerfreulichen Vorfällen...

Markus Kraetschmer: Wenn die Unterstützung verweigert und dann in den letzten fünf Minuten beinahe pharisäerhaft "Wir sind die Austria" skandiert wird, handelt es sich dabei weniger um Fans und mehr um Selbstdarsteller. Positiv ist zu bewerten, dass rund 99 Prozent der Fans diese Minderheit niedergestimmt haben.

derStandard.at: Ein oft gehörter Vorwurf an ihre Person lautet, die Hausverbote wären schon zu Saisonbeginn willkürlich verteilt worden. Können Sie dem mit Sicherheit widersprechen?

Markus Kraetschmer: Wir wollen ein Familien freundliches Stadion sein, die Liste der Hausverbote ist nicht durch Jux und Tollerei entstanden. Auf ihr stehen ausschließlich Leute, die uns wiederholt aufgefallen sind, durch Raufhandel, das Einbringen unerlaubter Gegenstände oder, und hier müssen wir bei der Austria unser historischen Verantwortung gerecht werden, rechtsradikale Tendenzen. Wenn man sich die Geschichte eines Herrn Loppers anhört, kann man derartiges nicht gut heißen. Diese Personen wollen wir bei der Austria nicht haben. Auch Zuseher, die sich ungerechtfertigt mit verbilligten Karten Zutritt verschaffen wollten, stehen auf dieser Liste. Das ist Betrug an der Austria und den anderen Fans.

derStandard.at: Neuerdings gibt es eine weiß markierte Linie rund um den Privatgrund der Austria Wien. Eine Art Bannmeile gegen die Unerwünschten?

Markus Kraetschmer: Hausverbot heißt: die Austria will Dich nicht im Horr-Stadion haben. Damit ist nicht nur der Matchbesuch gemeint, damit ist auch das Viola Pub, das Cafe, der Shop, der Vorplatz gemeint. Wir wollen nicht, dass Menschen mit Hausverbot in diesen Raum eindringen. Zumindest für eine gewisse Zeit. Auch Hausverbote laufen ab, das ist gut so, ich bin kein texanischer Scharfrichter.

derStandard.at: Die Austria hat immer wieder Anti-Gewalt-Kampagnen gestartet. Muss man sich nun die Sinnlosigkeit derartiger Kampagnen eingestehen?

Markus Kraetschmer: Überhaupt nicht, wir werden auch nicht aufgeben. Wir wissen, dass unser Weg langfristig funktioniert. Am Ende, und das mag vielleicht pathetisch klingen, muss und wird das Gute über das Böse siegen. Wir stehen hier nicht einer Tausendschaft anders Gesinnter gegenüber, es handelt sich um einen überschaubaren Rahmen von 50 bis 70 Personen. Das Problem ist lösbar.

derStandard.at: Frage an den Betriebswirt Markus Kraetschmer: Sind manche Fans für den Verein ein Minusgeschäft?

Markus Kraetschmer: Wenn Sie so wollen, ja. Es geht aber nicht primär darum, mit den Fans Geld zu verdienen. So hart es klingt, wir budgetieren auch Geldstrafen. Wir haben 2008 etwa 90.000 Euro Geldstrafen zahlen müssen. Mit diesem Geld könnte man viel Sinnvolles machen. Wenn man nach dem Match gegen Mattersburg das Viola Pub aufgrund einer polizeilichen Auflage nicht aufsperren kann, entgeht dem Verein natürlich Geld. Aber wir brauchen auch kein zertrümmertes Lokal.

derStandard.at: Welche Art von Kosten entstehen durch Problem-Fans?

Markus Kraetschmer: Sachbeschädigung, Geldstrafen, Imageschaden, vielleicht das Abschrecken eines potenziellen Sponsors. Auch dieser Verantwortung sollten sich die Fans bewusst sein. Ein Stadion ohne Mannschaft wird die Fans auch nicht interessieren.

derStandard.at: Abgeschrecktes Publikum und Ihre Arbeitszeit haben Sie nicht erwähnt.

Markus Kraetschmer: Wir gehen demnächst auf einen Schnitt von 10.000 Zusehern zu. Das wäre bei der Austria früher undenkbar gewesen. Aber natürlich schrecken solche Vorkommnisse den ein oder anderen Fan ab, nur kann man das schwierig quantifizieren. Was mich betrifft: Ich würde gerne Interviews zu anderen Themen geben. Ich will auch kein Mail beantworten müssen, in dem steht: "Ich kann nicht mit meiner Tochter ins Stadion gehen, weil ich nicht weiß, was dort passieren wird". Das tut mir weh.

derStandard.at: Nehmen sich manche Teile der Austria-Fans zu ernst?

Markus Kraetschmer: Zu wichtig. Aber sind das wirkliche Austria-Fans? Sollen wir als Austria akzeptieren, dass dies ein Teil unserer Fanszene ist? Ich gebe Ihnen gleich die Antwort: Ja, wir müssen es derzeit akzeptieren. Aber unser Ziel muss es sein, für diese Leute unattraktiv zu werden. (derStandard.at; 8. Oktober 2009)