In den Redaktionen von Boulevardmedien wie der Gratiszeitung Heute muss man sich ziemlich gewunden haben, als die Gutachten zu den tödlichen Schüssen in Krems bekannt wurden. War man dort im August doch vor allem damit beschäftigt, dem 14-Jährigen die Schuld für seinen Tod zuzuschanzen. Motto: Was geht er auch einbrechen. Wer fragte, ob ein Schuss in den Rücken eher auf Flucht hindeutet, wurde als "Ganovenstreichler" verunglimpft.

Demnach müssten wohl auch die drei Gutachter ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe zu Gesetzesbrechern haben. Denn die Folgen ihrer Arbeit könnten für den Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgegeben hat, dramatisch sein. Dessen bisherige Darstellungen sehen plötzlich ziemlich läppisch aus. Etwa seine Beteuerungen, er sei kurz vor dem Schuss abgelenkt worden und habe erst im Nachhinein bemerkt, dass der Teenager ihm den Rücken zuwandte. Oder dass er kaum etwas sehen konnte.

Die Gutachten widersprechen. Allerdings dem Vernehmen nach nur ihm, und nicht seiner Kollegin, die die beiden anderen Schüsse in dem Supermarkt abgegeben hat. Ihre Aussage stimmt offenbar mit den Fakten überein. Die Justiz wird das nun bewerten müssen.

Keine Frage, die Beamten waren genauso wie die Opfer in einer Extremsituation. Nur: Nach den Schüssen hätten die Polizeiverantwortlichen vielleicht weniger auf die Schützenhilfe des Boulevards bauen und mehr das ehrliche Bemühen um Aufklärung einfordern sollen.(Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 8.10.2009)