Infografik:Fokus Jemen - Ein Land droht zu zerfallen (1000 Pixel breit, 104 KB)

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Jemenitinnen demonstrieren mit Bildern von Präsident Abdullah Saleh für die Einigkeit des Landes.

Foto: EPA/YAHYA ARHAB

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Im Süden protestieren zehntausende Sezessionisten gegen die Zentralregierung. 

Foto: REUTERS/Stringer

Viele fürchten einen Regionalkonflikt, obwohl der Iran und Saudi-Arabien bisher ein direktes Eingreifen bestreiten.

Es ist ein Kampf an zwei Fronten. Während im Süden Jemens zehntausende Menschen für eine Unabhängigkeit des vor zwei Jahrzehnten eingegliederten Landesteils demonstrierten, kamen bei Kämpfen in Nordjemen allein in den vergangenen zwei Tagen 29 Rebellen ums Leben. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, die Regierung in Sanaa verliert zusehends die Kontrolle. Am Dienstag eilte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa in die jemenitische Hauptstadt, um die Jemeniten zur Einheit aufzurufen und um mit Staatspräsident Ali Abdallah Saleh über den Aufstand im Norden zu sprechen.

Dazu gibt es Anlass genug. Die schiitischen Houthi-Rebellen melden den zweiten Flugzeugabschuss in drei Tagen. Die jemenitische Armee spricht zwar von technischen Defekten, aber in den abgeschiedenen nordjemenitischen Bergen in der Gegend der Stadt Saada tobt ein Krieg, der an Heftigkeit stetig zunimmt. Hunderte Menschen sind getötet und verletzt worden, zehntausende Zivilisten mussten fliehen. Beide Seiten geben sich kämpferisch und unnachgiebig. Die Rebellen haben gedroht, der richtige Krieg habe noch gar nicht begonnen. Präsident Ali Abdullah Saleh erklärte, seine Armee werde sich nicht zurückziehen, die Schlacht könne noch fünf oder sechs Jahre weitergehen. Seine Militäroperation, die von Flugzeugen unterstützt wird, läuft unter dem Titel „Verbrannte Erde".
Am meisten leidet die Zivilbevölkerung in der ärmsten Ecken in einem der ärmsten Länder der Welt. 150.000 Menschen sind zwischen die Fronten geraten und geflüchtet. Viele leben in behelfsmäßigen Lagern. Internationale Hilfsorganisationen beschweren sich, sie hätten keinen Zugang zu den Betroffenen, die Region sei von der Welt abgeschnitten. Sie verlangen zumindest die Einrichtung eines humanitären Korridors.

Bereits seit 2004 gab es mehrere Runden bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen den Houthis und der Regierung in Jemen. Nach dem Bruch eines von Qatar ausgehandelten Abkommens sind die Kämpfe heuer im August dann in neuer Schärfe ausgebrochen. Die Rebellen, die sich an strategisch wichtigen Orten in den Bergen zwischen Saada und der saudischen Grenze verschanzt halten, gehörten der schiitischen Minderheit der Zaiditen an, die vor der Revolution von 1962 in Jemen die dominierende Sekte waren.

Saleh wirft ihnen vor, sie wollten die religiöse Herrschaft der Zaidi-Imame wiederherstellen, sie seien reaktionär, rückständig und tyrannisch. Die Rebellen ihrerseits beteuern, sie würden sich nur gegen die religiöse Diskriminierung durch die sunnitischen Fundamentalisten wehren, die wegen der engen Bindungen Salehs zu Saudi-Arabien in den letzten Jahren an Stärke gewonnen haben.

Internationale Einmischung

Die Regierung und die Rebellen haben Waffenstillstände angeboten, die Gegenseite war aber jeweils nicht bereit, auf die Bedingungen einzugehen. Die Houthis konnten sich ein beeindruckendes Waffenarsenal beschaffen und der Armee schwere Verluste zufügen. In beiden Lagern kämpfen in der Zwischenzeit auch lokale Stämme, und jene Stimmen werden immer lauter, die vermuten, die internationale Einmischung gehe über verbale Unterstützung hinaus.

Der Iran hat dieser Tage dementiert, dass er den schiitischen Rebellen helfen würde. Zusammen mit der jemenitischen Regierung würde man aber alle Anstrengungen unternehmen, um Frieden, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten, hieß es in einer Mitteilung der iranischen Botschaft. Von Saudi-Arabien ist bekannt, dass es an der gemeinsamen Grenze zum Kriegsgebiet humanitäre Hilfe leistet und dem Regime finanziell unter die Armee greift. Riad bestreitet aber, dass saudische Flugzeuge die Rebellen bombardieren.

Lange Liste von Konflikten

Die Golfstaaten, Ägypten das früher im Jemen mit Truppen aktiv war und die Arabische Liga haben aber Präsident Saleh ihre Unterstützung im Kampf gegen die schiitische Rebellion zugesichert. Sie fürchten, dass der militärische Konflikt, der die jemenitische Armee an ihre Grenze bringt, den Jemen weiter Richtung Zerfall treibt. Die Liste der Probleme ist lang: ein schwaches Regime, zunehmende Aktivitäten der Al-Kaida, Armut, schwindende Ressourcen und der Flüchtlingsstrom aus Somalia.

Die größte Gefahr sehen Experten aber in der „Bewegung des Südens", die für eine Abspaltung kämpft. Die Unzufriedenheit der Südjemeniten, die sich vom Norden wirtschaftlich und sozial marginalisiert fühlen, entlädt sich regelmäßig in Demonstrationen, die immer öfter auch gewalttätige Formen annehmen und von den Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen werden. (Astrid Frefel, DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2009)