Rund 13,5 Milliarden Euro wurden laut Presseberichten in Österreich im letzten Jahr für Glücksspiele ausgegeben, elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg ist auch auf die verstärkte Nutzung des Online-Angebotes zurückzuführen. Per Mausklick können klassische Kasinospiele von zu Hause aus gestartet und in der virtuellen Welt nachempfunden werden.

Indem eine bedeutende Nachfrage an solchen Internetangeboten besteht, das Glücksspiel aufgrund der Verlockung, schnell zu Geld zu kommen aber auch ein Gefährdungspotenzial in sich birgt, handelt es sich um einen Wirtschaftsfaktor, der sowohl Interessen des Staates als Verantwortungsträger für die Gesellschaft sowie der Fiskalpolitik als auch privater Unternehmen als Anbieter tangiert. Parallel dazu ist dieser Bereich aufgrund der Binnenmarktrelevanz sowie der restriktiven und nicht mehr zeitgemäßen rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zum Spielball von Juristen geworden mit der nachhaltigen Konsequenz, dass wohl kaum eine Branche so sehr von der Judikatur abhängig ist wie die Glücksspielindustrie.

Dabei haben Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den vergangen Jahren in die eine oder andere Richtung ausgeschlagen, je nachdem welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, wie die Rechtsfrage aufbereitet wurde und welche Tendenz gerade verfolgt wird. Der EuGH ist jedoch bemüht, das Pendel nicht zu weit ausschlagen zu lassen.

Im letzten Match zwischen privaten Anbietern und Monopolisten hat der EuGH Anfang September im Fall der portugiesischen Glücksspielregelung (C 42/07 vom 8.9. 2009) entschieden: "Die Verleihung von Ausschließlichkeitsrechten für den Betrieb von Glücksspielen über das Internet an einen einzigen, einer engen Überwachung durch die öffentliche Gewalt unterliegenden Wirtschaftsteilnehmer wie Santa Casa (eine gemeinnützige portugiesische Einrichtung) kann es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ermöglichen, den Betrieb dieser Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, und ist geeignet, die Verbraucher vor Betrug durch die Anbieter zu schützen".

Nächster Fall: Spanien

Damit hat der EuGH nach zuletzt binnenmarktfreundlichen Tendenzen den Ball an die Mitgliedstaaten zurückgespielt. Es befinden sich jedoch weitere Verfahren in der Pipeline. So liegt ein Schlussantrag vor, der eine unterschiedliche Besteuerung inländischen und ausländischen Glücksspiels in Spanien für unzulässig erklärt. Dies ist in Hinblick auf die schon seit einiger Zeit ebenfalls in der Pipeline des österreichischen Finanzministeriums (BMF) befindliche Novelle des Glücksspielgesetzes, die nebenbei und gut versteckt ebenfalls eine unterschiedliche Besteuerung von inländischem und ausländischem Glückspiel bezweckt, bemerkenswert.

Anders als in Portugal - dem Ausgangsfall für die EuGH-Entscheidung - wird das Onlineangebot der Österreichischen Lotterien (win2day) nicht entsprechend staatlich mitbestimmt. Auch gibt es keine entsprechend transparente Regelung für den Spielablauf und keine Ausschüsse für Beschwerden. Fazit: die österreichische Regierung wird auf die Bedingungen des Spieleablaufes von win2day kaum Einfluss nehmen. Das Argument der effektiven staatlichen Aufsicht und Kontrolle kann somit priva-ten Anbietern nicht entgegengehalten werden. Eine solche gibt es - anders als etwa im Energie- und Verkehrsbereich - in Österreich nicht. Es mangelt bereits an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für Online-Angebote. §12a GlücksspielG kann dafür nicht herhalten.

Im Gegensatz zu Portugal, wo das Glücksspiel in öffentlicher Hand ist, wurde das "Monopol" mit Casinos Austria AG (CASAG) sowie den Österreichischen Lotterien jeweils zwei Unternehmen übertragen, an dem auch Private (Raiffeisen, Bankhaus Schelhammer & Schattera, zwei Privatstiftungen sowie etliche Privataktionäre, darunter Ex-Casinos-Boss Leo Wallner) Anteile halten. Die CASAGwiederum hält 68 Prozent an der Österreichischen Lotterien GmbH. 26 Prozent befinden sich im Besitz der Lotto-Toto Holding, die wiederum von der heimischen Bankenprominenz - von der Bank Austria über die Erste Bank bis zu Volksbanken und Hypo Banken - gehalten werden. Die restlichen sechs Prozent hat sich der ORF gesichert.

Starke Lobby

Damit ist das Glücksspielmonopol in den Händen einer starken Lobby, die ihre Interessen dank bester Kontakte zu Politik und BMF - ein Casinos-Vorstandsmitglied war zuvor im Ministerium mit dem GlückspielG befasst - mit Nachdruck vertritt. Zugleich profitieren auch diverse Printmedien vom Glücksspielmonopol: An der Österreichische Sportwetten GmbH, einer Tochtergesellschaft der casino- und lotterieneigenen Entertainment Glück- und Unterhaltungsspiel GmbH, halten die Mediaprint Holding (Krone und Kurier) und fünf Bundesländer-Zeitungen (Kleine Zeitung, Tiroler Tageszeitung, Salzburger Nachrichten und andere) immerhin 44 Prozent.

Die Übertragung des Monopols kann daher als diskriminierend gesehen werden, da bestimmten Privaten die Veranstaltung von Glückspielen vorbehalten ist. Mit dem im GlücksspielG derzeit verankerten Sitzerfordernis im Inland wird außerdem die Dienstleistungsfreiheit in gemeinschaftsrechtswidriger Weise konterkariert. Entsprechend schwächt der Entwurf zur Glücksspielnovelle das Sitzerfordernis insofern ab, als es künftig Unternehmen mit Sitz in der EU möglich sein soll, sich um eine Lizenz zu bewerben, solange nach Lizenzerteilung die Gründung einer entsprechenden Kapitalgesellschaft im Inland erfolgt. Allein darum dürfte das derzeitige GlücksspielG Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht entgegengehalten werden, sondern müsste aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes unangewandt bleiben, solange es nicht durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung ersetzt wird.

Das bereits ohnehin heiße Thema wird nun auch innerstaatlich um eine Facette reicher: Der Entwurf für die Glücksspielnovelle liegt seit über einem halben Jahr vor, und dennoch ist bisher kein Ministerratsbeschluss zustande gekommen. Das hängt vor allem mit dem Widerstand aus den Bundesländern zusammen.

Bundesweite Lizenz

Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass das "kleine Glücksspiel", das bisher in die Zuständigkeit der Länder fiel, durch eine österreichweite Regelung ersetzt werden soll. Demnach soll nur mehr eine bundesweite Lizenz für Glücksspielautomaten vergeben werden. Der Spieleinsatz soll von bisher 50 Cent auf zehn Euro erhöht werden. Die Voraussetzungen für die Lizenzvergabe: Stamm- oder Grundkapital in Höhe von 50 Mio. Euro sowie eine Sicherheitsleistung von zehn Mio. Euro.

Geht es nach den Vorstellungen des BMF, soll der österreichische Glücksspielmarkt anhand von Konzessionen auf drei Betreiber (Casinos Austria AG, Österreichische Lotterien GesmbH sowie eine Kapitalgesellschaft, die noch zu finden ist) aufgeteilt werden. Dies bedeutet das Aus für jede Menge Automatenbesitzer und -betreiber, die in den Bundesländern in diesen Bereich investiert haben. Dies bedeutet in weiterer Folge vermehrten Aufwand für die Bundesländer, die für den Vollzug verantwortlich gemacht werden sollen und deren finanzieller Ausgleich für den Einnahmenentfall erst auszuverhandeln ist. Weiters wird eine Anhebung der Besteuerung der Roherträge aus Glücksspiel von bisher 16 auf 20 bzw. 22 Prozent angepeilt, zugleich soll allerdings die CASAG entlastet werden, indem der die von ihr zu entrichtende Glücksspielabgabe von derzeit 48 auf 30 Prozent gesenkt werden soll. Die Letztentscheidung bei mehreren Bewerbern soll schließlich zugunsten desjenigen Unternehmens ausfallen, das dem Bund den höchsten Abgabenertrag sichert.

Wenig Spielerschutz

Bemerkenswert ist, dass die Novelle, den bereits vielfach - auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - kritisierten §25 Abs 3 GSpG unverändert belassen will, obwohl dessen Anwendungsbereich durch den Einbezug des "kleinen" Automatenglücksspiels noch erweitert werden würde. Dieser dient dem Spielerschutz und weicht in einer Vielzahl von Teilaspekten krass von anerkannten Grundsätzen des Zivilrechts ab: Nachgewiesene Pflichtverletzungen der Spielbankleitung führen nur bei grobem Verschulden zu einer Schadenersatzleistung, wobei für dessen Vorliegen sogar den Spieler die Beweislast trifft. Doch auch wenn dieser Beweis gelingt, haftet der Betreiber nicht wie sonst für jene Schäden die durch korrektes Verhalten verhindert worden wären. Vielmehr greift die Schadenersatzpflicht erst dann ein, wenn dem Spieler aufgrund der Verluste nicht einmal mehr das Existenzminimum zur Verfügung steht.

Nach der jüngsten EuGH-Entscheidung muss sich der österreichische Gesetzgeber fragen, welche Ziele er im Glücksspiel eigentlich verfolgt. Er hat nun die Möglichkeit, eine EU-Recht-konforme Regelung auszuarbeiten, die ihre Ziele deutlich formuliert und umsetzt und dabei nur jene Interessen verfolgt, die vom EuGH als rechtmäßig anerkannt werden - nämlich den Spielerschutz und die Eindämmung der Spielsucht.

Entscheidet er sich hingegen für eine kosmetische Lösung, die nur den bisherigen Monopolisten absichert und einen weiteren schafft, würde dies zulasten vieler kleiner Betriebe gehen, die Staatseinnahmen verringern und den Spielerschutz augenscheinlich nicht verbessern. Vor allem die zunehmenden Werbeaktivitäten der Monopolanbieter für die diversen Glücksspielfelder stellen die Rechtsgrundlage für das österreichische Glücksspielmonopol zusehends infrage. (Kathrin Hornbanger, DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2009)