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Lennon-Witwe Yoko Ono veröffentlicht ein wildes Spätwerk.

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Wien - Kunst kommt von Können. Insofern könnte Yoko Ono mit ihren 76 Jahren derzeit eigentlich nur einmal pro Minute mit einem goldenen Löffel in ihrem Entspannungstee umrühren - und schon wieder käme in dieser Zeit das Bruttoinlandsprodukt eines karibischen Kleinstaats auf ihr Konto. Während die Welt also gerade wegen der klanglich auf Hochglanz gebrachten CD-Wiederveröffentlichungen der Beatles die Elektrogroßmärkte des Planeten stürmt und so ein letztes Mal für Konjunktur im sterbenden Gewerbe sorgt, freut sich die Witwe von John Lennon wohl auch über die Rentensicherung ihrer Ururur-Dings-Enkel. A Day in the Life? Zeit spielt in dieser Liga keine Rolle.

Trotzdem legt die zentrale Künstlerin der guten alten Fluxus-Bewegung und frühe Protagonistin des Feminismus, die angeblich damals die Beatles zerstörte, bevor sie seichten Schlagerschmus zu machen begannen, jetzt ein spätes Soloalbum vor. Dieses sollte in seiner Radikalität unter jüngeren Musikerkollegen doch für hängende Kinnladen sorgen.

Erstmals seit den frühen 1970er-Jahren belebt Yoko Ono dafür das alte, damals gemeinsam mit John Lennon gewählte Signet "Plastic Ono Band" wieder. Gemeinsam mit Sohn Sean Lennon und Avant-Pop-Musikern wie Keigo "Cornelius" Oyamada, der in New York beheimateten japanischen Band Cibo Matto und US-Freistil-Instrumentalisten wie Erik Friedlander am Cello entstand so während weniger Aufnahmesessions eine tatsächlich wilde Mischung.

Mit dem vorliegenden Album Between My Head And The Sky präsentiert sich Yoko Ono nicht altersmild, sondern entschieden unversöhnlich. Zwar finden sich unter den 15 neuen Stücken einige gefällige Balladen. Erwähnt seien etwa das mit tausendtränentiefer Trompete behübschte Memory Of Foot-steps oder die wehmütige Eloge Watching The Rain. Im letztgenannten Stück kramt Ono übrigens tief im Nähkästchen und holt aus ihrem Frühwerk die sprachlos machende Simulation eines traurigen Orgasmus hervor.

Zentrales Anliegen ihrer nach wie vor aus dem Moment destillierten lyrischen Kunst bilden allerdings immer noch jene Momente, während derer aus wilder Rockmusik hysterische Dringlichkeit entsteht. Waiting For The D Train etwa könnte sich in dieser Form auch auf CDs nicht einmal halb so alter, dafür aber doppelt so angesagter New Yorker Bands wie The Yeah Yeah Yeahs finden. Ganz nebenbei stellt es auch alles in den Schatten, was die alten Avantgarde-Lieblinge Sonic Youth während der letzten zwei Dekaden produzierten.

Neben rufzeichenstarkem Synthie-New-Wave-Pop (The Sun Is Down!) oder atonalem Saxofon-Geböllere (Ask The Elephant!) variiert Yoko Ono auch Ethno-Funk im Stile der Talking Heads. Und sie lässt den Schubert dreiklangszerlegungsmäßig kräftig franzen.

Das alles ergibt in Summe nicht nur einen Kessel Buntes mit rhythmisch lose und zittrig gedeuteten Entfesselungsschreien und Wollustbekundungen sowie zarter Naturmystik: Feel The Sand, Moving Mountains, Watching The Rain. Wie schon auf ihrem 2007 unter Mithilfe von jungen Verehrern wie Cat Power, Peaches oder Jason Pierce erschienenen verkannten Album Yes, I'm A Witch steht dieses Album als deutliches Signal auch für eines: I'm Alive. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 07.10.2009)