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Erstmals in seiner Geschichte geht der Nobelpreis gleichzeitig an zwei Frauen: Elizabeth Blackburn (links) und ihre ehemalige Studentin Carol Geider. Der Dritte im Bunde: Jack Szostak.

Fotos: AP/Michael Probst - APA/EPA/UWE ANSPACH - AP/Massachusetts General Hospital

Die drei Laureaten entdeckten, wie sich Telomere (rosa) an den Enden der Chromo-somen verkürzen. Und warum das bei Krebszellen nicht so ist.

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Online-Vorlesung der Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn zum Thema
"Telomeres and Telomerase: Their Implications in Human Health and Disease":

 

+ Part 1: The Roles of Telomeres and Telomerase (48:27)
+ Part 2: Telomeres and Telomerase in Human Stem Cells and in Cancer (26:58)
+ Part 3: Stress, Telomeres and Telomerase in Humans (45:58)

Stockholm/Wien - Diesmal lagen die Analysten von Thomson Reuters goldrichig. Für die Experten der weltgrößten wissenschaftlichen Publikationsdatenbank waren die US-Forscher Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak die erklärten Favoriten für den Medizin-Nobelpreis. Und zwar mit 43 Prozent.

Die drei Zellbiologen waren freilich schon seit geraumer Zeit zum engsten Favoritenkreis gezählt worden - für die "Lösung eines großen Rätsel der Biologie", wie es nun in der Begründung des Nobelpreiskomitees heißt. Das große Rätsel war, warum bestimmte Zellen (wie Tumor- Stamm- und Geschlechtszellen) sich quasi unendlich teilen und vermehren können, während normale Zellen nur eine bestimmte Zahl von Zellteilungen ausführen können.

Endteile der Chromosomen

Den ersten Hinweis, warum das so ist, erhielt die aus Australien stammende Elizabeth Blackburn bei der Arbeit mit dem Wimperntierchen Tetrahymena, einem einzelligen Organismus: Sie entdeckte, dass es an den Enden der Chromosomen spezielle kurze Strukturen gab - sogenannte Telomere ("telos" bedeutet im Griechischen "Ende" und "meros" steht für "Teil"), die im Fall des Einzellers die Sequenz CCCCAA trugen.

Blackburn, die heute an der University of California in San Francisco forscht, tat sich mit Jack Szostak (heute Harvard University) zusammen: Sie isolierte das Telomer aus dem einzelligen Organismus, ihr Kollege koppelte es an ein Minichromosom von Erbsubstanz und fügte dieses in Hefezellen ein. Dabei zeigte sich: CCCCAA schützte die eingefügte Erbsubstanz vor dem Abbau, fungiert also gewissermaßen als "Schutzkappe".

Carol Greider - damals 23-jährige Studentin Blackburns und heute an der Johns Hopkins Universität tätig - baute gemeinsam mit ihrer Mentorin auf diesen Erkenntnissen auf: Am Christtag 1984 entdeckte die Diplomandin, dass in Telomeren offenbar eine Enzym-Funktion steckt. Und dieses Enzym trug ebenfalls die Gensequenz CCCCAA in sich. Das Enzym wurde schließlich Telomerase genannt, weil es die "Endteile" der Chromosomen wieder aufbaut.

Szostak und seine Arbeitsgruppe konnten in weiterer Folge aufklären, dass die schützenden Kappen der Chromosomen im Rahmen von Alterungsprozessen immer kürzer und fragiler werden. Bei Krebs- und Stammzellen hingegen ist das nicht so - was eben an der Telomerase liegt, dem Enzym der Unsterblichkeit.

Durch dessen Entdeckung wurden damit auch gezeigt, das Prozesse des Alterns und der Tumorentwicklung etwas miteinander zu tun haben, so Karel Riha, Vizedirektor des Gregor-Mendel-Instituts in Wien. Der Pflanzengenetiker forscht selbst über Telomerase und ist über die Vergabe des Medizinnobelpreises an Blackburn, Geider und Szostak besonders erfreut.

Riha verweist auch darauf, dass Pharmakonzerne seit Jahren an Telomerase-Hemmern für die Behandlung von Krebserkrankungen arbeiten. So entwickelt das US-Biotech-Unternehmen Geron einen Impfstoff, der bei Prostatakrebs-Patienten zu einer Immunreaktion gegen die Telomerase der bösartigen Zellen führen soll.

Erhöhung des Frauenanteils

Die Medizin-Nobelpreise 2009 stellen übrigens auch eine Premiere dar: Das erste Mal in der Geschichte teilen sich zwei Frauen gleichzeitig die Auszeichnung. Damit erhöhte sich der Frauenanteil bei den "echten" wissenschaftlichen Nobelpreisen einigermaßen signifikant von 2,5 auf 2,8 Prozent: Unter den 528 bisherigen Preisträgern aus Medizin, Physik und Chemie waren bisher nämlich gerade einmal zwölf Frauen (Marie Curie zweifach).

Heute werden in Stockholm die diesjährigen Nobelpreisträger für Physik bekanntgegeben. Die relativ größten Chancen wurden von Thomson Reuters (mit 28 Prozent) übrigens zwei Quantenphysikern eingeräumt. Einer der beiden ist der Österreicher Peter Zoller von der Universität Innsbruck. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 06.10.2009)