Linz/Wien - Würde jetzt ein neuer Nationalrat gewählt, die ÖVP könnte den Wahlsieg beanspruchen. Allerdings auf demselben niedrigen Niveau, das sie bei der vorletzten Wahl 2006 unter Wolfgang Schüssel erreicht hat. Die SPÖ müsste einen Absturz auf etwa 24 Prozent in Kauf nehmen - der niedrigste in diesem Jahr gemessene Wert. Zum Vergleich: Bei der Wahl vor einem Jahr hat die SPÖ29,26 Prozent erreicht, in den Wochen danach war sie in der Gunst der Bevölkerung noch weiter gestiegen: Im Februar dieses Jahres hatte Market für die SPÖ einen Wert von 34 Prozent errechnet, zehn Prozentpunkte mehr als jetzt.

Die ÖVPhat kurz nach dem Eintritt in die Regierung etwa 29 Prozent in der Market-Umfrage erreicht - seither hat sie stetig zugelegt, besonders nach ihrem Erfolg bei der Europawahl und nach den beiden gewonnenen Landtagswahlen.

In dieser Zeit gab es auch massive Verschiebungen in der Wahrnehmung der Gewichte in der Koalition. Kurz nach der Regierungsbildung ließ der Standard das Linzer Market-Institut fragen, welche der beiden Regierungsparteien mehr erreicht habe. 24 Prozent meinten, "die SPÖ unter Werner Faymann" habe mehr für Österreich durchgesetzt, nur zwölf Prozent meinten das von der "ÖVP unter Josef Pröll" .

Lob für die ÖVP-Arbeit

Die in der Woche nach der Oberösterreich-Wahl durchgeführte Umfrage ergab (bei leicht veränderter Fragestellung) einen völlig anderen Eindruck. Auf die Frage:"Wenn Sie an die Arbeit der Regierungskoalition aus SPÖ/ÖVP denken. Welcher Regierungspartner leistet Ihrer Meinung nach die bessere Arbeit?" attestierten 35 Prozent der ÖVP die bessere Arbeit, nur 18 Prozent der SPÖ - für 33 Prozent sind beide etwa gleich.

"Auffallend ist, dass eine absolute Mehrheit der deklarierten SPÖ-Wähler sagt, dass beide Parteien gleich gut arbeiten, während acht von zehn deklariertenSchwarzen vor allem die Leistung der eigenen Partei sehen", sagt Market-Chef Werner Beutelmeyer. Dies dokumentiere für die tiefe innerparteiliche Verunsicherung bei der Sozialdemokratie.

Dabei ist die Beurteilung der SPÖ-Politik gar nicht so schlecht: Für fünf von elf abgefragten Bevölkerungsgruppen setzt sich die Kanzlerpartei nach Einschätzung der Österreicher am meisten ein. Die Tabelle zeigt, dass die SPÖfür 45 Prozent jene Partei ist, die sich am meisten für Pensionisten einsetzt - unter den Menschen über 50 ist diese Einschätzung sogar noch wesentlich höher ausgeprägt. Für 42 Prozent ist sie die klassische Partei der einfachen Arbeiter, für 41 Prozent jene der Arbeitslosen.

Was vor allem der ÖVPzu denken geben sollte: Die SPÖ hat dem konservativen Koalitionspartner den Rang abgelaufen, wenn es um die Frage geht, welche Partei die Familienpartei sei. Und mehr noch als die Grünen steht die SPÖ für die Interessen der Frauen.

Die ÖVP steht für jene Klientel, die man ihr üblicherweise zutraut, also für Bauern, Besserverdiener und Beamte sowie für die aufstiegsbewussten Angestellten.

Keine Partei kommt an die FPÖ heran, wenn es um die Interessen der Jugend geht, das wird vor allem von den Jungwählern selbst bestätigt. Und die Grünen glänzen nur, wenn es um die Zuwanderer geht. Aber diese sind bei einer Mehrheit der Österreicher (52 Prozent) nicht willkommen.

Harte Linie empfohlen

Nach den vergangenen Landtagswahlen hat es ja umgehend verschiedene Empfehlungen gegeben, wie die SPÖ in der Ausländerpolitik vorgehen sollte. der Standard ließ durch Market erheben: "Was meinen Sie: Wäre es für die SPÖ besser, wenn sie eine härtere Gangart gegenüber Zuwanderern einschlagen würde, oder wäre es für die SPÖ besser, wenn sie für einen lockereren Umgang mit Zuwanderern eintritt?"

Daraufhin empfahlen 72 Prozent (und sogar 77 Prozent der erklärten SPÖ-Wähler) der SPÖ eine harte Line. Einen lockereren Umgang mit den Einwanderern wünschten sich nur neun Prozent (19 Prozent machten keine Angabe). Einen liberalen Umgang mit Zuwanderern empfehlen vor allem Angehörige der höchsten Bildungsschicht und deklarierte Anhänger der Grünen.

Von der immer wieder geforderten Besteuerung von Vermögenszuwächsen raten der SPÖ 63 Prozent der Befragten ab, weil dies den Mittelstand treffen würde. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2009)