Bild nicht mehr verfügbar.

Nach der Zustimmung der Iren zum EU-Reformvertrag ist der tschechische Präsident Vaclav Klaus unter Druck - auch in seinem eigenen Land.

REUTERS/Cathal McNaughton

Bild nicht mehr verfügbar.

Tory-Führer David Cameron (mit Vorbild Churchill) ist Václav Klaus im Wort.

Foto: AP/Tan

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Lissabon-Verweigerer: Tschechiens Präsident Klaus, hier mit Gegnern des EU-Vertrags am Wochenende, sagt Nein zum Vertrag.

Foto: APA/EPA/Singer

London/Prag/Wien - Der EU-Reformvertrag von Lissabon ist auch nach dem überwältigenden Ja der Iren im zweiten Referendum (67,1 Prozent) nicht "durch" . Der Chef der konservativen britischen Tories, David Cameron, will, wie er am Sonntag bekräftigte, nach einem Wahlsieg im Mai ein Referendum abhalten. In Tschechien wollen Vertragsgegner notfalls eine weitere Verfassungsklage einbringen, damit Staatspräsident Václav Klaus seine Unterschrift bis dahin hinauszögern kann. Polens Präsident Lech Kaczyñski will dagegen bald unterschreiben.

*****

Nach dem Ja der Iren zum Lissabon-Vertrag richten sich alle Blicke auf Prag. Tschechien ist das letzte EU-Mitgliedsland, in dem der Abschluss des Ratifizierungsprozesses noch nicht absehbar ist. Auch wenn der Vertrag bereits im Frühjahr von beiden Parlamentskammern verabschiedet wurde, weigert sich Tschechiens EU-kritischer Präsident Václav Klaus, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen.

Klaus bekräftigte seine Kritik an Lissabon am Wochenende auf einer Kundgebung vor seinem Amtssitz auf der Prager Burg: Das irische Referendum sei das letzte gewesen, das es in Sachen Europa gegeben habe, sagte er. Die EU werde keine weiteren mehr zulassen. Das Ergebnis nehme er "zur Kenntnis" . Die zweite Abstimmung sei jedoch mit einem Fußballspiel zu vergleichen, bei der man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sei und das Spiel wiederholen lasse, um das gewünschte Resultat zu erzielen.

Seit vergangener Woche hat Klaus ein weiteres Argument, um die Ratifizierung zu verzögern: 17 Senatoren seiner früheren Partei ODS haben eine Beschwerde beim tschechischen Verfassungsgericht eingebracht, obwohl die Richter den Vertrag schon einmal im Herbst 2008 für verfassungskonform erklärt hatten. Die Begründung: Damals seien nicht der Vertragstext als Ganzes, sondern lediglich einzelne Stellen beurteilt worden. Nun wollen die Senatoren unter anderem wissen, ob sich die EU nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags in einen supranationalen Staat verwandeln würde.

Verzögerungstaktik

Einer der Kläger, Senator Jaroslav Kubera, wollte am Samstag nicht ausschließen, dass bei einem positiven Entscheid des Verfassungsgerichts eine weitere Klage eingereicht werden könnte - entweder von den Senatoren oder von Klaus selbst. Das Ziel wäre, eine Ratifizierung so lange hinauszuzögern, bis in Großbritannien Unterhauswahlen stattfinden.

Die tschechischen Lissabon-Gegner hoffen auf den konservativen Oppositionsführer David Cameron, der in den Umfragen deutlich führt und ebenfalls zu den Kritikern des EU-Vertrages zählt. Sieben Monate vor dem voraussichtlichen Wahltermin musste sich Cameron vor dem Tory-Parteitag in Manchester am Wochenende entsprechend bohrende Fragen gefallen lassen: Wie hält es der mutmaßlich nächste Premier mit Europa?

"Wir wollen ein Referendum zum Lissabon-Vertrag" , wiederholte der 42-Jährige am Sonntag in Interviews sein erprobtes Soundbite. "Und ich würde die Briten um ein Nein-Votum bitten." Er werde um die Volksabstimmung kämpfen - "solange der Vertrag irgendwo in Europa diskutiert wird" . Und wenn die Diskussion zu Ende ist? Da blieb er vage: "Wir werden die Sache nicht ruhen lassen."

Die zahlreichen EU-Feinde in der Partei wollen mehr: Die Volksabstimmung solle auf jeden Fall kommen, meinte Londons Bürgermeister Boris Johnson - egal ob der Vertrag im Frühjahr in Kraft sei oder nicht. "Ich glaube, das britische Volk sollte seine Meinung sagen dürfen" , sagte Camerons parteiinterner Rivale der Sunday Times, "besonders für den Fall, dass Tony Blair plötzlich als Sprecher Europas wieder auftaucht" .

Die Kandidatur des Ex-Labour-Premiers für das neue Amt eines Präsidenten des Europäischen Rates bringt die Gemüter auf der Insel ins Wallen. Einer jüngsten Umfrage zufolge erhoffen sich 84 Prozent der konservativen Aktivisten ein Referendum, selbst wenn der Reformvertrag in Kraft tritt.

Erfahrene Außenpolitiker der Tories sind alarmiert. Ein Referendum nach der Ratifizierung wäre "reine Zeit- und Geldverschwendung" , warnte Ex-Außenminister Malcolm Rifkind. Cameron klammert sich dagegen an die Hoffnung, dass Klaus bis zur Unterhauswahl im Mai die Unterschrift unter den Vertrag verweigert. Dass er in diesem Falle ein Referendum ansetzen werde, hatte der Brite dem tschechischen Staatsoberhaupt bereits in einem Brief im Sommer zugesagt. (Robert Schuster aus Prag, Sebastian Borger aus Manchester/DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2009)