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Marcos Nader musste bei seinem Profi-Debüt in Wien über die volle Distanz gehen und siegte.

Foto: APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Wien - Ganz ungeniert tragen einige ältere wie jüngere Damen am Samstagabend vor der Wiener Stadthalle Teile ihre Unterwäsche zur Schau. Aber nicht die, die sie anhaben. Aus einer halbgeschlossenen Hand etwa blitzt rote Spitze. "Und die wird bald auf der Bühne landen" , freut sich die Besitzerin.

Von all dem Trubel bekommt Marcos Nader in seiner Umkleidekabine nichts mit. Denn der 19-jährige Wiener Boxer wird nicht der Empfänger der Damenspenden sein. Tom Jones ist in der Stadt, und gegen den "Tiger" aus Wales, den mittlerweile 68-jährigen Entertainer mit ergrautem Haar, kommen auch keine gestählten Muskeln an. Vorn in der großen Halle also der Musiker, hinten in Halle B die Boxer - publikumsmäßig eine perfekte Programmierung, wenn man die kaum vorhandenen Schnittstellen der beiden Fan-Gruppen betrachtet.

1500 Interessierte haben sich für die Box-Gala entschieden. Die meisten einschlägigen Fans kommen aus dem Boxer-Milieu, in Wien sind das vor allem Menschen mit Migrationshintergrund.

Die österreichischen Profisportler, die erfolgreich in den Vorkämpfen boxen, heißen Sladi Apanovic, Magomet Davudov, Gogi Knezevic, Sasa Jovanovic, Chussein Dombaev oder Patrick Berger. Erstmals kommt Stimmung auf, als Gogi Knezevic, österreichischer Meister im Mittelgewicht, einen K.-o.-Sieg gegen den Slowaken Joseph Sovijus landet und nach seinem Kampf ein Porträt der verstorbenen österreichischen Boxerlegende Edip Sekowitsch küsst.

Vienna Calling

Der Großteil der Fans ist aber gekommen, um Marcos Nader siegen zu sehen. Der erste Auftritt als Boxprofi in seiner Heimat ist dann auch vielbejubelt. Schließlich gilt der für den großen deutschen Promoter Sauerland boxende 19-jährige Mittelgewichtler (72,3 kg bei der Kampfabwage) als größte heimische Box-Hoffnung.

Schon beim Einzug in die Halle zu den Klängen von Falcos Vienna Calling hält es die Fans nicht auf den Sitzen. Erst recht nicht, nachdem sein Gegner, der Rechtsausleger Robert Blazo, ordentlich loslegt. In der zweiten Runde verpasst der starke Slowake dem Wiener ein erstes Cut unter dem linken Auge, Nader muss Nehmerqualitäten an den Tag legen.

"Arbeiten! Arbeiten! Bleib locker! Die Hände rauf, Marcos! Setze die rechte Gerade ein!" Marcos Box-Kollegen im Publikum spielen Trainer, die Fans bejubeln erste wirkungsvolle Körpertreffer von Nader in der vierten Runde, obwohl der Ausfall der Innenbeleuchtung des Kampfringes viel von der Show wegnimmt.

"Wenn du den Schweiß spritzen siehst, dann hat er getroffen" , bekommen Neuinteressierte von Fans erklärt. Im Scheinwerferlicht macht sich das natürlich spektakulärer als im grellen Hallenlicht.

Dank der Technik, die viel von seiner noch fehlenden Schlagkraft ausmerzt, gewinnt Nader den ersten Sechsrunder seiner Karriere einstimmig nach Punkten. "Mein bisher härtester Kampf" , gestand er. Davon zeugten neben Blutergüssen auch zwei Cuts im Gesicht, die noch in der Nacht im AKH genäht werden mussten. "Alles halb so schlimm" , sagte Nader tags darauf zum Standard.

Seine Freundin, die amtierende Miss Vienna Sandra Soknic, dürfte das anders sehen. "Normalerweise kommt sie nach Kämpfen immer gleich in die Kabine. Diesmal nicht. Aus Selbstschutz, ich glaube, sie wäre umgekippt."

Im November soll der nächste Kampf folgen, im Vorprogramm des geplanten WM-Fights zwischen dem Russen Nikolai Walujew und dem Briten David Haye. 2010 plant Promoter Sauerland einen größeren Box-Event mit ihm in Wien. "Vor 4000 bis 5000 Fans" , sagte Sauerlands technischer Leiter Hagen Döring. Bis dahin sollten die Stromprobleme in der Stadthalle zu beheben sein. Und in der großen Halle muss man sich die Steckdosen dann auch nicht mit Tom Jones teilen. (David Krutzler, DER STANDARD, Montag, 5. Oktober 2009)

 

Wichtigere Ergebnisse von der Box-Gala am Samstagabend in der Wiener Stadthalle B:

Mittelgewicht: Marcos Nader (AUT) s. Robert Blazo (SVK) nach 6 Runden einstimmig nach Punkten

Mittelgewicht: Gogi Knezevic (AUT) s. Joseph Sovijus (SVK) durch technischen K.o. in Runde 4

Leichtschwergewicht: Chussein Dombaev (AUT) s. Michal Tomko (SVK) nach 8 Runden einstimmig nach Punkten

Leichtschwergewicht: Sladi Apanovic (AUT) s. Michal Paris (CZE) nach 4 Runden einstimmig nach Punkten

Cruiser-Gewicht: Patrick Berger (AUT) s. Robert Borok (SVK) durch technischen K.o. in Runde 3