Wien - Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat am Freitag Alarm geschlagen: Österreich ist gerade wieder von einer Welle von Onlinebetrug erfasst. Die Opfer merken und melden dies meistens zu spät. Ließen sie sich als "Finanzagenten" für Geldüberweisungen von zuvor geknackten Konten einspannen, droht ihnen selber eine Anklage wegen Betrugs oder Geldwäscherei. Und wer sich mit dubiosen Anbietern auf Anlagegeschäfte eingelassen hat, sieht meistens nichts mehr von seinem Geld. Die Betrüger wechseln oft im Monatsabstand den Firmenauftritt.

Die Aufsicht kämpft verschärft gegen schwarze Schafe in der Finanzszene und ruft Geschädigte zu zeitnahen Meldungen auf. In der Finanzkrise häuften sich in den vergangenen Monaten grenzüberschreitende Anfragen bei den Aufsehern, Fälle von "unerlaubtem Betrieb" (Wertpapierdeals ohne Konzession) nehmen zu, Nachahmetäter des "Madoff"-Schneeballsystems sind aktiv.

Die beiden FMA-Vorstände Helmut Ettl und Kurt Pribil berichteten am Freitag von einer Häufung von Online-Betrugsfällen in den letzten Monaten. Eines haben die meisten Fälle gemeinsam: Bei der Kontaktaufnahme "wird die Gier im Menschen geweckt".

Wegen "unerlaubten Geschäftsbetriebs" von Finanzdienstleistungen wurden heuer von Jänner bis August in Österreich 214 Ermittlungsverfahren eingeleitet, im ganzen Vorjahr waren es 174. Es wurden 21 Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, dreimal soviel wie im gesamten Jahr 2008. 27 Fälle hat die FMA an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. 20 Anbietern wurde die Tätigkeit untersagt.

Mehr Anfragen

Waren bisher ein bis zwei Beschwerden pro Tag bei der FMA der Normalfall, so kam es über den Sommer zu mittlerweile acht bis zehn Anfragen. Leider meldeten die Leute zu spät, haben bereits Zahlungen an verdächtige oder illegale Anbieter getätigt. Der Rat der Aufseher: Vor Abschluss prüfen, Behörden- oder Marktinformationen einholen. Ungewöhnlich hohe Gewinn- oder Renditeversprechen von unbekannten Anrufern ("cold calling" ist in Österreich nach dem Telekommunikationsgesetz verboten) müssten ebenso Alarmglocken schrillen lassen wie Geschäftssitze in Steueroasen oder exzessive Verwendung von erfundenem englischen Fachvokabular. Besonders verdächtig: wenn Vorleistungen (lock-up-fees, Recherchekosten etc.) abverlangt werden.

Ein Totalausfall für den Anleger und ein Fall für die Justiz wurde heuer die Causa "HCS Worldwide". Der von der FMA namentlich nicht genannte Beschwerdeführer wurde von dem Anbieter mit scheinbar professioneller Website und angeblichem Sitz in Mailand telefonisch kontaktiert, Monate später wurden ihm "Goldminenaktien" aus Kanada verkauft, er wurde dann zu Nachzahlungen überredet, angeblich um einen Ausfall zu vermeiden. Als der Kunde nach weiteren Überweisungsaufforderungen stutzig wurde, war HCS Worldwide nicht auffindbar. Die FMA zeigte den Fall an, setzte eine Investorenwarnung ab, das Geld des "Anlegers" ist bis auf den letzten Cent weg. Es wird vermutet, dass die Anbieter unter neuem Logo und altem Programm weitermachen.

Auf 200 bis 300 Mio. Euro pro Jahr summierten sich die Schadenssummen aus solchem Internet-Finanzbetrug in Österreich. Die Dunkelziffer liegt bei einem Vielfachen. Nachdem oft unversteuerte Gelder im Spiel seien, sei die Neigung, einen Schaden anzuzeigen, wohl eher gering, weiß man bei der FMA. Eine Studie im Auftrag der Aufsicht soll bis 2010 Details über Summen und verbreitete Praktiken illegaler Anbieter in Österreich aufzeigen.

Finanzagenten

Besonders gewarnt wird aktuell davor, sich bei Online-Jobsuchen oder anderen Internetkontakten als "Finanzagent" missbrauchen zu lassen. Dabei knacken Kriminelle in der Regel über "Phishing" oder "Trojaner" beim Onlinebanking Konten, räumen die ab und lassen die Gelder auf das Konto eines meist unwissenden "Komplizen" (Finanzagent) überweisen, der - unter Provisionsversprechen oder nach Abzug von vielleicht 10 Prozent Provision - das Geld entweder von seinem Konto ins Ausland weiter überweisen oder besser in bar abheben und dann überweisen soll. Zum einen ist nicht Konzessionierten das "Bankgeschäft" überhaupt verboten, vor allem aber geht es um zuvor "gestohlenes" Geld. Bemerken die Phishing-Opfer, dass Geld vom Konto fehlt, sind Polizei und Aufseher am Wort. Finanzagenten fliegen dabei als erste auf. Kann der unfreiwillige Strohmann - Normalbürger, Kleinunternehmer mit Internetvertrieb etc. - bei einmaligem Vorfall "bedingten Vorsatz" nachweisen, wird er im Strafverfahren meist freigesprochen, empfindliche Bußgelder bleiben aber meist nicht erspart. Vor allem via Russland, Ukraine und China kommen in letzter Zeit solche Phishing-Deals ins Land. Dort ist es einfacher, mit gekaperten Geldern unterzutauchen. (APA)