Brüssel - Nach mehr als neun Monaten Verzögerung wegen des Grenzstreits mit Slowenien hat Kroatien am Freitag die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union wieder aufgenommen. Bei einer Beitrittskonferenz in Brüssel mit Außenminister Gordon Jandrokovic wurden die Verhandlungen in sechs neuen Kapitel offiziell eröffnet und in fünf weiteren Verhandlungsbereichen abgeschlossen. Die Entscheidung darüber wurde bereits von den EU-Botschaftern am Mittwoch getroffen, nachdem Slowenien sein Veto wegen des Grenzstreits beendet hatte.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte, es sei "ein Durchbruch, dass wir die Verhandlungen mit Kroatien wieder aufnehmen können. Ich vertraue darauf, dass das Kroatien nun ermuntert, die letzte Phase der Verhandlungen zu erreichen, was unser gemeinsames Ziel ist." Rehn begrüßte die Vereinbarung der Ministerpräsidenten Sloweniens und Kroatiens, Borut Pahor und Jadranka Kosor. "Wir sind fast dort. Ich würde erwarten, dass der Deal rasch verwirklicht wird."

Der schwedische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Carl Bildt hat die Außenminister beider Länder, Samuel Zbogar und Jandrokovic, zu einem Gespräch über die weiteren Schritte im Grenzstreit eingeladen. An dem Treffen im Anschluss an die EU-Beitrittskonferenz am Freitag in Brüssel nimmt auch Rehn teil. "Ich erwarte gute Gespräche und dass wir einen wichtigen Schritt weiter kommen", sagte Jandrokovic.

Rehn betonte: "Es ist auch ein Sieg für die Europäische Union, wenn wir die Verhandlungen mit Kroatien deblockieren können und sehen, dass der Grenzkonflikt gelöst ist." Bei den Beitrittsverhandlungen habe Kroatien noch Arbeit zu leisten, was den Kampf gegen Kriminalität und Korruption betreffe. Die EU-Kommission werde in ihrem Fortschrittsbericht am 14. Oktober darauf zurückkommen. Gefragt, ob der Lissabon-Vertrag, über den die irische Bevölkerung am Freitag ein zweites Mal abstimmt, eine Voraussetzung für Kroatiens Beitritt sei, sagte Rehn: "Ich vertraue darauf, dass Kroatien der EU beitritt, sobald es alle Bedingungen dafür erfüllt."

Spindelegger: "Terrain gutgemacht"

Von österreichischer Seite wurde die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien begrüßt. "Heute ist viel verlorenes Terrain gutgemacht worden, Kroatiens EU-Verhandlungen gewinnen wieder an Fahrt", zeigte sich Außenminister Michael Spindelegger in einer Aussendung über "die substanziellen Ergebnisse" der EU-Beitrittskonferenz erfreut. "Unser Ziel ist und bleibt unverändert: Kroatien soll das 28. Mitgliedsland der Europäischen Union werden", betonte Spindelegger. Wenn keine neuen unerwarteten Hindernisse auftauchten und Kroatien die noch verbleibenden Aufgaben zügig angehe, stehe einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen im Laufe des nächsten Jahres nichts entgegen. Österreich erwarte zudem, dass die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien auch dem EU-Heranführungsprozess für alle übrigen Staaten des westlichen Balkan neue Dynamik verleihen.

Der FPÖ-Europaabgeordnete Andeas Mölzer erklärte, Kroatien erfülle bereits heute die Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft. "Daher dürfen Kroatien keine weiteren Steine in den Weg gelegt werden", forderte er.

Sechs zusätzliche Bereiche

Kroatien eröffnet am heutigen Freitag die Verhandlungen in sechs zusätzlichen Bereichen: freier Kapitalverkehr, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Nahrungsmittelsicherheit, Steuerwesen, Regionalpolitik sowie Justiz. In den Bereichen Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Gesellschaftsrecht, Statistik, Transeuropäische Netze und Zollunion werden die Verhandlungen vorläufig abgeschlossen. Damit hat Kroatien 28 von insgesamt 35 Verhandlungskapitel eröffnet, zwölf davon werden als abgeschlossen betrachtet. Zagreb hofft auf einen Abschluss der Beitrittsverhandlungen bis Mitte 2010.

Im Grenzstreit hat das slowenische Parlament bereits einem Entwurf für das bilaterale Abkommen zugestimmt, das die Grundlage für ein Schiedsverfahren bilden soll. Kernpunkt des Streits ist die Grenzziehung in der Adria-Bucht von Piran und vor ihr, wo Slowenien einen eigenen territorialen Zugang zu internationalen Gewässern beansprucht.

(APA)