Gelungener Auftakt der neuen Ära im Tanzquartier Wien mit einem erfolgreichen Eröffnungsabend: "First Night" der britischen Performance-Stars Forced Entertainment.

Foto: Hugo Glendinnig

Wien - Gleich mit dem Eröffnungsabend Attached to you hat Walter Heun, der neue Intendant des Wiener Tanzquartiers, ein Versprechen wahrgemacht. Er werde verstärkt "die Frage noch dem bewegten Körper im Raum stellen" , hatte er bei seiner Vorstellung als TQW-Leiter angekündigt.

Versprochen, gehalten. Doch wer gedacht haben mag, dass sich nun in der TQW-Halle G wohlfeil an- und abgerichtetes Fleisch in aufwühlender Manier aalen würde, wurde an diesem Abend doch mit etwas Besserem bedient. Heun gelang es, zu zeigen, was das wundervoll vertrackte Hybrid Tanz derzeit kann.

Tanz ist eine permanente Untersuchung des menschlichen Körpers mit künstlerischen Mitteln; und diesen gesellschaftlich geformten Körper rückt er in vorgezeichnete soziale und kulturelle Räume. Die politische Technik des Tanzes besteht darin, zu demonstrieren, wie welcher Körper in welchen Räumen handeln kann.

Die kleine Parade von fünf Stücken in Attached to you zeigte, dass sich der Körper in den miteinander in Konflikt stehenden Räumen von Kommerz und künstlerischer Kritik neu platziert hat. Nicht mehr als Hamletmaschine, sondern als Maschinenhamlet, im Sinn von: "To perform or not to perform: that is the question." Diese Unterhaltungsmaschine denkt ihren Heiner Müller um: "Ich will ein Mensch sein / Arme zu greifen / Beine zu gehn / ein Schmerz / ein Gedanke." Der japanische Choreograf und Tänzer Hiroaki Umeda spannt sich in seinem Solo Accumulated Layout in eine Licht- und Soundmaschine, die sein Körperbild wie eine Zombiefigur tanzen lässt. Die aus Kanada stammende Österreicherin Stephanie Cumming verwandelte ihren Glitzerkörper in eine unterhaltungsindustrielle Vanitasmaschine. Und die britische Größe Forced Entertainment schoss sich in First Night auf die ewig lockende Verführungsmaschinerie des Spektakels ein. Thierry De Meys Light Music macht - allerdings unfreiwillig - sichtbar, wie die Unterhaltungsindustrie funktioniert, wie sie mit Effekten eigentlich inhaltsleerer Gesten fasziniert.

Dieser Abend war, wie beabsichtigt, auch ein Hinweis darauf, wie verschieden heute Arbeiten aussehen können, die mit choreografischen Mitteln gebaut werden. Das neue Tanzquartier ist hier auf der Höhe der Zeit. Das Publikum hat auch gelacht und spendete kräftig Applaus. Die Gesellschaftskritik ist sichtlich angekommen, blieb aber deutlich unter der Schmerzgrenze.

Das kann als Qualität im von Walter Heun zitierten Sinn einer neuen Gastfreundschaft des Tanzquartiers verstanden werden. Aber Kritik muss im Besucher letztlich auch innere Konflikte auslösen, und da darf das TQW künftig noch einen Zahn zulegen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe 2.10.2009)