Kandahar - Bei einem NATO-Luftangriff im Süden Afghanistans sind erneut Zivilisten ums Leben gekommen. Unter den Opfern des Angriffs vom Mittwoch befänden sich neben vier radikalislamischen Taliban-Kämpfern auch sechs Kinder und drei Frauen, sagte ein Sprecher der Provinzregierung von Helmand am Donnerstag.

Die Internationale Afghanistan-Truppe (ISAF) teilte in einer Erklärung mit, auch sie habe "Informationen über getötete Zivilisten, insbesondere Frauen und Kinder". Es sei eine hochpräzise Bombe eingesetzt worden. Der Befehlshaber des Angriffs sei überzeugt gewesen, "dass dort keine Zivilisten waren", sagte ein ISAF-Sprecher. Der Angriff wurde von einem niederländischen F-16-Bomber geflogen.

"Vorschriften eingehalten"

Nach Angaben des Oberkommandierenden der niederländischen Streitkräfte, General Peter van Uhm, wurden beim Einsatz alle militärischen Vorschriften eingehalten. Die Lufteinsatz wurde nach schweren Gefechten zwischen ISAF-Soldaten und Aufständischen im Bezirk Nad Ali angefordert. Eines der beiden eingesetzten Kampfflugzeuge habe eine Bombe abgeworfen, berichtete eine Sprecherin der niederländischen Armee.

"Wenn es den geringsten Zweifel gegeben hätte, hätten wir nicht gehandelt", fügte die Sprecherin hinzu. Sie warf den Taliban vor, "Zivilisten, die nicht sichtbar waren" in dem angegriffenen Haus versteckt zu haben. In der Vergangenheit wurden bei Luftangriffen in Afghanistan immer wieder Zivilisten getötet, was bei der Bevölkerung und der afghanischen Regierung für wachsende Empörung sorgt.

Nach Einschätzung des ISAF-Oberkommandierenden Stanley McChrystal befinden sich die internationalen Truppen in Afghanistan an einem Scheideweg. Es werde nicht ewig möglich bleiben, den Konflikt mit den Aufständischen zu gewinnen, sagte der US-General am Donnerstag in London. Die Situation in Afghanistan sei "ernst". Es sei offen, ob die ISAF-Truppen in dem Land siegen oder unterliegen würden, sagte McChrystal. "In einigen Bereichen verschlechtert sich die Situation, aber nicht in allen Bereichen", fügte er hinzu. In einem Bericht hatte der General vor kurzem eine Verstärkung seiner Truppen gefordert, da der Einsatz in Afghanistan sonst innerhalb eines Jahres zu scheitern drohe.

Russland forderte den Westen indes zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Taliban in Nord-Afghanistan auf. Die Islamisten breiteten sich inzwischen von dort aus in die benachbarten Teile Asiens aus, warnte der scheidende russische Botschafter Samir Kabulow am Donnerstag in Kabul. Es sei im Interesse der NATO, die Taliban einzugrenzen, sagte Kabulow. "Bisher ist die NATO nicht besiegt worden. Noch haben wir Zeit." Kabulow war bereits während der sowjetischen Besatzung Afghanistans in den 80er Jahren in Kabul stationiert. Er warf dem Westen vor, die gleichen Fehler zu machen wie die Sowjetunion während ihres zehnjährigen Kriegs in Afghanistan. Die Versäumnisse seien: "Vernachlässigung der Bevölkerung. Ein Versagen, feste Beziehungen mit den örtlichen Gemeinden aufzubauen. Diese dem Feind überlassen."

Eine Mehrheit der Kanadier sprach sich in einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage gegen den Einsatz der kanadischen Truppen in Afghanistan aus. In der Erhebung für den Fernsehsender CBC lehnten 52 Prozent der Befragten das Engagement ihres Landes am Hindukusch ab. Derzeit sind etwa 2800 kanadische Soldaten in Kandahar im Südosten Afghanistans stationiert. Die Regierung in Ottawa will den Einsatz 2011 beenden. (APA/Reuters)