Norbert Pauser klärt beruflich darüber auf, warum Diversity alles andere als ein Randthema für Unternehmen ist.

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Setzt sich für die Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen im Berufsleben ein: Genderforscherin Roswitha Hofmann.

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Österreichs Unternehmen haben bei der Integration von homosexuellen Mitarbeitern viel Nachholbedarf, schwul oder lesbisch zu sein wird in der Wirtschaft noch immer tabuisiert. Dabei könnte sich ein offener Umgang mit Homosexualität auch positiv auf das Geschäft auswirken. Genderforscherin Roswitha Hofmann und Diversity-Manager Norbert Pauser über Outing im Beruf, gute Integration von homosexuellen Mitarbeitern und Diversität als Innovationskultur.

derStandard.at: Ist ein Outing im Beruf notwendig bzw. wichtig?

Roswitha Hofmann: Das kann man nicht verallgemeinern, weil es stark branchenabhängig ist. Es handelt sich auch um eine persönliche Frage: Sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite gibt es das Argument, dass sexuelle Orientierung nichts mit der Arbeitsleistung zu tun hat. Wir wissen allerdings aus der Organisationsforschung, dass Privatsphäre und Beruf nicht so leicht zu trennen sind. Ich denke dabei nur an Gespräche über Urlaub, Wochenenden etc.

Norbert Pauser: Ja, so sehr es denn notwendig ist eine sexuelle Orientierung im Unternehmen zu thematisieren. Der Vorwurf lautet immer, dass sich Heterosexuelle auch nicht dauernd outen. Vergessen wird aber dabei, dass das Thema in heterosexuellen Zusammenhängen von Früh bis Spät präsent ist. Niemand verlangt also, dass man mit dem Rosa Winkel herumläuft und auf Schwulenrechtler macht. Ein angemessener Umgang mit Schwulen, Lesben und Bisexuellen wäre aber wünschenswert.

derStandard.at: Wie offen ist Homosexualität herzeigbar?

Hofmann: Die sexuelle Orientierung beschränkt sich nicht nur auf Homosexuelle, sie ist ständig Thema in sozialen Beziehungen und betrifft daher jeden. Bei Lesben und Schwulen wird es halt immer hervorgehoben.

Pauser: Immer so weit wie es die Organisation zulässt. Das reicht von großer Zustimmung der Geschäftsführung zum Schutz dieser Person, bis hin zu offenem Mobbing oder Tolerieren sexistischer Witze. Wenn es keine Rahmenbedingungen gibt, wird der Geoutete Manager seiner eigenen Angelegenheiten. Missverständnisse im Arbeitsumfeld sind dann vorprogrammiert.

derStandard.at: Wie äußert sich ein positiver oder negativer Umgang mit Homosexualität im Betrieb?

Pauser: Organisationen, die besonders wertschätzend an die sexuelle Orientierung ihrer Belegschaft herangehen, werden loyale Mitarbeiter bekommen, die sich engagieren und einen Benefit zurückgeben. Anders läuft es bei denen, die in die innere Kündigung gehen, weil sie gemobbt und subtilem Druck ausgesetzt werden, weil sie nicht sie selbst sein dürfen. Ein proaktiver Umgang mit der Thematik wirkt sich auf die Leistungsbereitschaft aus.

Hofmann: Je weniger die Leute sich als Ganzes wahrgenommen fühlen, um so schwieriger ist es die Leistungen zu bringen, die der Qualifikation entsprechen. Auf der anderen Seite ist es auch eine persönliche Entscheidung. Will ich mich ganz outen oder nur bei bestimmten Personen? Das sind Entscheidungen, die natürlich durch ein vorgelebtes Betriebsklima beeinflusst werden.

derStandard.at: Frauen haben ohnehin schlechtere Chancen auf Topjobs. Hat man es als Lesbe im Berufsleben doppelt schwer?

Hofmann: Die doppelte Diskriminierungsgefahr ist gegeben. Vorausgesetzt man sagt, dass Homophobie gegen Schwule und Homophobie gegen Lesben unterschiedliche Qualitäten hat. Es ist aber nicht einfach zu unterscheiden, ob Frauen Sprünge auf der Karriereleiter versagt bleiben, weil sie Frauen sind oder weil sie lesbisch sind. Das ist sehr schwierig zu messen.

derStandard.at: Enstehen Ängste nicht auch in höheren Berufstetagen?

Pauser: Je höher die Funktion ist, desto größer ist die Angst. Nicht umsonst haben wir in Österreich kaum prominente Testimonials. Bei manchen ist es seit vielen Jahren ein offenes Geheimnis, in einem speziellen Fall hat es sich jemand sogar notariell beglaubigen lassen, dass er nicht homosexuell ist. Aber es gibt langsam ein Umdenken, in der Politik etwa oder in den Creative Industries. Dort wo es aber um knallhartes Geschäft gibt, bei börsennotierten Unternehmen etwa, geht Homosexualität gar nicht.

Hofmann: Das beruht im Topsegment ebenso auf starken Stereotypisierungen. Dabei sehe ich einen zentralen Punkt: Eine Förderung von Lesben und Schwulen als Role Models und Führungspersonen könnte helfen, Vorurteile zu beseitigen und Ängste zu nehmen.

derStandard.at: Was bedeutet gute Integration?

Hofmann: Das ist eine Frage der Organisationskultur. Ein wichtiger Punkt wäre sicherlich, dass sich Homosexuelle in Netzwerken zusammenschließen und gegenseitig unterstützen können. Bei IBM oder der Deutschen Bank gibt es diese Netzwerke beispielweise. Ebenfalls zu beachten wären innerbetriebliche Abläufe. Gibt es Systemfehler, die eigentlich heteronormativ sind? Ist es notwendig, in bestimmten Führungspositionen einen Partner oder eine Partnerin vorweisen zu müssen?

Pauser: Das Phänomen darf nicht individualisiert werden. Wir leben in einer vermeintlich indivualisierten Gesellschaft, wo die komische „anything goes"-Haltung salonfähig geworden ist. Das stimmt aber überhaupt nicht. Organisationen und Institutionen sagen uns ganz klar wo es lang geht. Das ist eine hochpolitische Frage und eine Frage der jeweiligen Unternehmenskultur.

derStandard.at: Ist Österreich im Bezug auf Homosexualität reaktionärer als vermutet?

Pauser: Weitaus! Vordergründig ist das alles kein Problem. Wir haben ja den Lifeball und die Parade, die Betroffenen sollen aber schön an den Orten bleiben, die man ihnen zugewiesen hat. Unternehmen, die den Lifeball sponsern, kaufen sich letztendlich frei, denn genau diese können Diversität auf struktureller Ebene nicht glaubhaft verankern. Das machen sie aber nicht, weil sie so böse sind, sondern weil sie einer imaginären gesellschaftlichen Norm folgen, die sie nicht hinterfragen.

derStandard.at: Was haben sie persönlich für Erfahrungen gemacht?

Hofmann: Grundsätzlich ist die Wissenschaft offener, in manchen Bereichen ist es aber ungleich schwieriger sich zu outen, in der Medizin, oder im juristischen Bereich etwa. Norbert Pauser und ich haben aber einen großen Vorteil, weil wir zu dem Thema arbeiten. Bei uns ist das quasi eine Qualifikation.

Pauser: Wenn ich mich als schwuler Mann oute, dann hört man im ersten Augenblick einmal die Stecknadel auf den Boden fallen. Im zweiten Schritt werde ich genau angeschaut, und dann weiß ich, dass ich nun richtig gut sein muss, damit ich mein Standing halten kann. Danach kommen irgendwann die Fragen, wobei vor allem die Unwissenheit der Menschen überrascht. Die offene Homophobie ist nicht das Problem, viel schlimmer sind die subtileren Formen: Mit Homosexualität werden SM-Praktiken assoziiert, dann die Affinität zu Kindern und schließlich Pädophilie, Prositiution, Aids. Da muss sich noch viel in den Köpfen und Herzen der Menschen bewegen.

derStandard.at: Diversity Management als Innovationskultur: Ist das eine Marktlücke?

Hofmann: Als Gegenstand der Organisationsberatung ist es sicherlich eine kaum behandelte Thematik, es gibt nur wenige Experten. Österreich hat im Vergleich zu Deutschland aber auch eine andere Organisationsstruktur, wir haben großteils KMUs. Die meisten Diversity-Management Konzepte sind aber für Großunternehmen konzipiert. Für eine Marktbearbeitung bei uns, muss man das herunterbrechen.

Pauser: Ich habe bereits 2003 begonnen, mich mit Diversity Management zu beschäftigen, habe aber erst 2009 meine eigene Firma gegründet. Die Zeit war damals einfach noch nicht reif, die Leute wussten nicht wovon ich spreche. (Florian Vetter, derStandard.at, 04.10.2009)