Die Bergwelt ruft, wie hier beim Aufstieg auf das Wiesbachhorn bei Kaprun. Die Frage, wer allerdings die Wege dort hinauf erhalten soll - Vereine oder die öffentliche Hand -, wird zunehmend zum Zankapfel zwischen Bergsteigerorganisationen und Gemeinden.

Salzburg/Kaprun - Es ist ein schlichter Fünfzeiler: Mit Schreiben vom 28. Juli dieses Jahres teilt der Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde, Reinhard Dayer, der Pinzgauer Gemeinde Kaprun mit, dass "die Naturfreunde Hochgebirgsschule die Wegeerhaltung und Wegemarkierung zwischen Bruck-Kaprun und Kapruner Törl nicht mehr durchführen kann". Die wegerhaltenden Maßnahmen würden zudem auch für den Steig vom Stausee Mooserboden zum Kitzsteinhorn eingestellt.

Der Kapruner Bürgermeister Norbert Karlsböck (SP) reagiert auf die formlose Mitteilung der Naturfreunde sauer. Man sehe sich außerstande, "für die Wege auf Zuruf eine Haftung zu übernehmen", meint er im Standard-Gespräch. Er werde das Schreiben "nicht zur Kenntnis nehmen".

Auch wenn es im Konkreten nur um 13 Kilometer Wegstrecke geht: Karlsböck befürchtet einen "Präzedenzfall". Die Gemeinden seien bei der Aufteilung der Markierungs- und Erhaltungsarbeiten zwischen den alpinen Vereinen 1968 nicht eingebunden gewesen, also könne man die Steige auch nicht an diese "zurückgeben".

Die Naturfreunde wiederum fühlen sich laut Geschäftsführer Dayer an den 1968 erstellten Kataster nicht mehr gebunden. Er spielt den Ball weiter: Nachdem den Alpinorganisationen die finanziellen Mittel fehlten und ehrenamtliche Mitarbeiter immer weniger würden, müssten sich "Tourismus und Bürgermeister etwas überlegen". Schließlich wäre ja der Fremdenverkehr Nutznießer der Erschließung der Bergwelt.

Dayer geht davon aus, dass andere Naturfreunde-Ortsgruppen wie auch andere Vereine bald nicht mehr in der Lage sein werden, alle Steige instand zu halten und zu sichern. Derzeit wird jedenfalls unter Leitung des Deutschen Alpenvereines ein neuer Wegekataster erstellt. Vielerorts wird befürchtet, dass darin nur ein deutlich ausgedünntes Wegenetz übrig bleibt.

Brisantes Urteil

Zusätzliche Brisanz erhält der Streit um die Erhaltung der 13 Kilometer Weganlagen in Kaprun durch die jüngst erfolgte Verurteilung des Bürgermeisters von Unterach am Attersee. Laut (nicht rechtskräftigem) Urteil haftet der Bürgermeister persönlich für einen Wanderunfall im Jahr 2007, weil er den Wanderweg nicht von einem Gutachter kontrollieren ließ. Nun soll er aus eigener Tasche knapp 5000 Euro Strafe und Schmerzensgeld für den Knöchelbruch bezahlen. Wird dieses Urteil bestätigt, dürfte die Wegeerhaltung in Hinkunft um ein Vielfaches teurer und das Wegenetz drastisch eingeschränkt werden.

Was mit den nicht mehr von den Vereinen gewarteten Steiganlagen geschehen soll, weiß niemand. Für Peter Sönser, der als Jurist bei der auf Naturraumplanungen spezialisierten Ingenieursgesellschaft "i.n.n." die Gemeinde Kaprun berät, ist jedoch eines ganz sicher: "Einen Automatismus, dass die Wege an die Gemeinde gehen, gibt es sicher nicht." Einfach aufgeben könne man einen Weg auch nicht, so Sönser. Schließlich wären alte Markierungen und Seilsicherungen weiterhin vorhanden. Und die wären "eigentlich nur" mit Rückbaumaßnahmen zu entfernen, was wohl niemand wolle. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 30.09.2009)