„Wir wollen wissen, wo die Leute der Schuh drückt", sagte vor mehr als einem Jahr Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ). Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch will „Wiens Schulen erfolgreich in die Zukunft führen". Beide starteten sie Umfragen zu Befindlichkeit der Wiener.

Beiden sitzt wohl die Angst vor dem drohenden Verlust der absoluten SPÖ-Mehrheit bei den Landtagswahlen 2010 in Wien im Nacken. Denn beide sind sie Chefs von Ressorts und Bereichen, in denen die größte Unzufriedenheit herrscht und wo am meisten Handlungsbedarf besteht: Gemeindebau und Bildung. Eine weitere Gemeinsamkeit: Hüben wie drüben ist das Migrantenthema groß - seien es so genannte Nachbarschaftsstreitigkeiten oder der Migrantenanteil von über 80 Prozent an manchen Schulen. 

Große Befragung an Schulen startet am 5. Oktober

Oxonitsch präsentierte am Dienstag jedenfalls die „größte Schulumfrage" an allen Pflichtschulen in Wien, AHS-Unterstufen, polytechnische Lehrgänge und erste Jahrgänge der Berufsschulen inbegriffen. 350.000 Schüler, Lehrer und Eltern sollen zu ihrer Befindlichkeit im Schulbetrieb befragt werden.

Zehn Fragen sind gleichlautend, vier Fragen sind auf die jeweilige Zielgruppe (Schüler, Eltern, Lehrer) zugeschnitten. Die Schüler werden in Gruppen geteilt, in jene von der ersten bis zur dritten Schulstufe und in jene von der vierten bis zu achten Schulstufe. Details zu den Fragen wollte Oxonitsch nicht geben. Start ist 5. Oktober. Einen Monat haben die Befragten Zeit, zu antworten und den Fragebogen an die jeweilige Schule zu retournieren.

Anonym mit Barcode

Die Befragung ist anonym und mit Nummern von eins bis einer Million gekennzeichnet, um Kopieren zu vermeiden. Der Barcode, der bei Ludwigs Befragung für Aufregung sorgte, weil dadurch die versprochene Anonymität nicht gegeben war, soll sich bei der jetzigen Umfrage auf Standort und Art des Fragebogens (ob an Eltern, Schüler oder Lehrer gerichtet) beziehen.

Um Kosten zu sparen, sollen die Fragebögen nicht per Post verschickt, sondern an der Schule verteilt, beiziehungsweise werden den Schülern für die Eltern mitgegeben. Je nach dem, wie groß der Rücklauf ist, werden auch die Kosten betragen. Ein Meinungsforschungsinstitut soll die Auswertung übernehmen. Welches das sein soll, ist offen. Die Ergebnisse will Christian Oxonitsch kommendes Jahr präsentieren.

Opposition gemischt

Bei der Opposition kommt die neue Befragung nicht gut an. So empörte sich Isabella Leeb, Bildungsprecherin der Wiener VP: "Die SPÖ Wien hatte jahrelang Zeit und auch die notwendige Regierungsverantwortung, um die Probleme in Wiens Pflichtschulen zu bekämpfen. Stattdessen kommen der Bürgermeister und sein Bildungsstadtrat auf die glorreiche Idee, einen Fragebogen in die Welt zu schicken - um teures Steuergeld". Leebs Meinung nach müssten Michael Häupl und Oxonitsch nur Schülern, Eltern und Lehrern zuhören, um auf Probleme draufzukommen. Sie sieht - achtung Ironie - "Schulhof- oder Pausenbrot-Watcher" auf die Schulen zukommen.

Die Wiener Grünen begrüßen die Befragung: "Dies bedeutet ein Mehr an direkter Demokratie", sagte Susanne Jerusalem, Schulsprecherin der Grünen Wien. Offen sei, was genau gefragt werde und ob es die Möglichkeit geben werde, einen eigenen Punkt einzufügen, um einen individuellen Wunsch artikulieren zu können. Jerusalem schlägt vor, mittels Umfrage bei den Eltern von Kindergartenkindern herauszufinden, was die nächste Elterngeneration will. "Wenn schon Umfrage, dann gleich gründlich", so Jerusalem. (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 29. September 2009)