Achtung, Zeitloch: An einigen Geschäften in der Taborstraße sind die letzten Jahre spurlos vorübergegangen.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - Hinter ihr grinsen die Back-street Boys von einer Ringmappe, vor ihr türmen sich rosa Schreibblocks mit kleinen Katzen drauf. "Die Jungen" , sagt Elfriede Bieder, Besitzerin eines Papiergeschäfts in der Taborstraße, "interessieren sich schon lange nicht mehr für mein Geschäft. Die gehen lieber ins Einkaufszentrum."

Seit 1982 steht Bieder, toupiertes, dunkelrotes Haar, beige Weste, goldene Halskette, täglich in ihrem Laden. Warum die Kundschaft ausbleibt, ist für sie völlig klar. "Schauen Sie sich um. Es gibt in der Straße ja nur noch Ramsch, Döner und Handys."

Ehemals wichtigste Konsummeile des 2. Bezirks, siedeln sich heute in der Taborstraße - so wie in den meisten anderen kleineren Einkaufsstraßen der Stadt - neben den üblichen Lebensmittel- und Drogerie-Ketten hauptsächlich Callshops und Billigläden an. Ein Gutteil der Geschäftslokale steht überhaupt leer. Seit Jahren versucht die Kaufleutevereinigung "Einkaufsviertel Taborstraße Karmelitermarkt" mittels verschiedener Veranstaltungen neue Kundschaft anzulocken.

Am grundsätzlichen Problem ändert dies allerdings wenig: Die Taborstraße scheint ihre besten Jahre hinter sich zu haben. Je weiter man den Donaukanal und das neue Hotel von Jean Nouvel, das dort gerade gebaut wird, hinter sich lässt, umso trister werden die Auslagen. Zwischendurch fällt man in ein Zeitloch - nicht nur in Bieders Papierladen. Auch am Briefmarkenfachgeschäft und am Schallplattenshop sind die letzten Jahrzehnte spurlos vorbeigegangen.

Urbane Wohnzimmer

"Die Taborstraße braucht sicher mehr als eine Behübschung" , sagt Mark Gilbert. Der Architekt arbeitet gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Aulinger im Auftrag der Stadt Wien an einem Aufwertungskonzept für das Grätzel.

Seit eineinhalb Jahren beschäftigen sich die beiden mit der Erstellung eines Masterplans zur Wiederbelebung. Heute, Freitag, stellen sie gemeinsam mit Bezirksvorsteher Gerhard Kubik (SP) ab 17 Uhr am Karmeliterplatz die ersten Ergebnisse des Programms "Plug in" vor. Den Architekten schweben kleine urbane Wohnzimmer vor: In Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Künstlern sollen einige neuralgische Punkte der Taborstraße so umgestaltet werden, dass man sich dort gern aufhält.

Welche Künstler dabei der Taborstraße ihren Stempel aufdrücken sollen, ist noch offen. Bezüglich des Vergabeprozess beraten sich die Architekten derzeit noch mit der Stadtverwaltung. Mehr Anziehungskraft soll das Grätzel außerdem mittels neuer Bodengestaltung und modernem Lichtdesign bekommen.

Das Problem des sich ausbreitenden Leerstands wollen die Architekten mittels Künstleraustausch in den Griff bekommen: Künftig sollen regelmäßig Kreative aus Brooklyn - dem Partnerbezirk des Zweiten - anreisen und die leeren Geschäftslokale zumindest zeitweise bespielen. Einen Gutteil der Geschäftsleute in der Taborstraße lassen die Attraktivierungspläne der Stadt für ihr Viertel vorerst noch kalt. "Schau ma mal, ob's was bringt" , sagt eine Blumenhändlerin, seit acht Jahren im Grätzel. Sie bereue jedenfalls inzwischen, sich für ihr Geschäft ausgerechnet diese Ecke der Stadt ausgesucht zu haben. "Ich hätte mir gscheiter was bei einem Friedhof gesucht." (Martina Stemmer, DER STANDARD - Printausgabe, 25. September 2009)