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STANDARD: In einem neuen Uno-Bericht warnen Sie davor, dass die Krise nicht überwunden ist. Was die Märkte nach oben treibt, sei allein Spekulation. Woran sehen Sie das?

Flassbeck: Wir haben uns verschiedene Rohstoffmärkte angesehen und jene Währungsmärkte beobachtet, die unter spekulativem Druck standen: also etwa den Handel von ungarischen Forint mit Schweizer Franken oder japanische Yen mit brasilianischem Real. Unsere Erkenntnis war, dass sich die Preisbewegungen nur durch Spekulationen erklären lassen. Wir erleben hier das, was man als Bären-Rallye bezeichnet: In der Krise versuchen die Spekulanten, die Preise hochzutreiben, um an dieser Blase Geld zu verdienen.

STANDARD: Aber hat es nicht eine Stabilisierung gegeben? Der Forint etwa wird nicht weiter entwertet.

Flassbeck: Aber genau das ist der Punkt: Der Forint ist gegenüber dem Schweizer Franken wieder hochgegangen , aber wirtschaftlich hat sich in Ungarn nichts geändert. Die Stabilisierung hat also nichts mit realen Geschehnissen zu tun, sondern beruht auf Spekulation.

STANDARD: Und der Optimismus an den Rohstoffmärkten?

Flassbeck: Der entscheidende Faktor ist, dass die Future-Märkte, auf denen etwa Öl bereits für das kommende Jahr gehandelt wird, einen entscheidenden Einfluss auf die Preisentwicklung haben. Die Gegenwartspreise werden von den Zukunftspreisen beeinflusst. Insofern wird der Ölmarkt in den Spekulationstrudel gezogen. Und keiner unternimmt etwas, weil die Anbieter über diese Entwicklung froh sind, und die Käufer ohnehin nichts tun können.

STANDARD: Es baut sich also wieder eine neue Blase auf?

Flassbeck: Ja. Im Moment suchen die Leute wieder das Risiko, weil sie erwarten, dass die Rezession überwunden ist. Sobald sich herausstellt, dass sich der Aufschwung nicht so wie erwartet einstellt oder es überhaupt keinen Aufschwung gibt, stehen wir wieder vor den alten Problemen.

STANDARD: Warum ist dann immer wieder die Rede davon, dass die Talsohle in der Krise erreicht ist?

Flassbeck: Die Talsohle mag erreicht sein, aber das bedeutet nicht, dass es wieder bergauf geht. Der Aufschwung kommt entweder von Investitionen oder von Konsum, es gibt keine andere Quelle. Der Konsum wird in den nächsten Monaten und Jahren aber sehr schwach bleiben, weil es einen unglaublichen Druck auf die Löhne gibt und die Arbeitslosigkeit weiter steigen wird. Und bei den Investitionen frage ich mich, wo diese herkommen sollen: Wenn Unternehmer, bei einer Kapazitätsauslastung von 75 Prozent, also weit unter normalen Bedingungen, zusätzlich investieren würden, hielte ich das für ein Wunder.

STANDARD: Wann rechnen Sie damit, dass die neue Blase platzt?

Flassbeck: Genau kann ich das nicht sagen. Aber im nächsten halben Jahr werden wir das erleben.

STANDARD: Und könnte die Weltwirtschaft noch weiter nach unten gezogen werden?

Flassbeck: Natürlich. Das ist übrigens eine klassische Wiederholung der Geschichte. Nach dem Börsencrash 1929, 1930 gab es auch eine unglaublich euphorische Phase, als alle sagten, das Schlimmste ist überwunden. Damals sind die Aktienmärkte sogar noch stärker gestiegen als diesmal. Standard & Poor ist um 100 Prozent gestiegen, diesmal nur um 60 Prozent. Wir erleben derzeit einen Höhenflug. Und das wird wohl böse enden. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 9.9.2009)