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Sachwalter haben eine Fürsorgepflicht, die weit über Buchhaltung hinausgeht. Im Idealfall ergänzen sich Sachwalter und Schützling.

Foto: APA/Barbara Gindl

Vor allem der Umgang mit fremdem Vermögen kann aber sehr heikel sein, wie zwei aktuelle Beispiele zeigen – Von Irene Brickner und Michael Simoner

Wien / Innsbruck – Das Sachwalter-System steht vor dem Kollaps. Derzeit sind bereits fast 85.000 psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen in Österreich besachwaltet, doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren, als das bis dahin geltende Entmündigungs- vom Sachwalterschaftsverfahren abgelöst wurde. Doch das Angebot an seriösen Sachwaltern kann mit dem steigenden Bedarf nicht mehr Schritt halten. Die vier anerkannten Sachwaltervereine sind völlig überlastet. Auch die Bezirksgerichte haben Probleme, Sachwalter zu finden. Immer mehr Beschwerden von besachwalterten Menschen sind die Folge. Hier zwei Problemfälle, die an den Standard herangetragen wurden:

Erbschaftsreichtum schwindet in Riesenschritten

Frau N. ist eine wohlhabende Frau. Eine Erbschaft aus Italien und der Verkauf eines Schlossanteils sollten der Mitfünfzigerin aus einem alten Tiroler Adelsgeschlecht eigentlich ein angenehmes Leben sichern. Doch Frau N. lebt von der Mindestrente, das sind 690 Euro pro Monat, in einer 30-Quadratmeter-Mietwohnung in Wien. Seit kurzem darf sie nach heftigen Interventionen auch monatlich 500 Euro Taschengeld von ihrem fetten Bankkonto abbuchen. Dennoch schwindet ihr Reichtum in Riesenschritten. Es klingt kurios, aber die Kosten dafür, dass sie Hilfe bei der Verwaltung ihres Vermögens braucht, fressen ihr Vermögen auf. Ungesetzlich ist das nicht.

Ihr Innsbrucker Rechtsanwalt ist gleichzeitig auch ihr Sachwalter, für Honorare und Entschädigungen hat er zuletzt mehr als 94.000 Euro in Rechnung gestellt. Und obwohl der Innsbrucker Advokat seine Mandantin seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat, weil sie inzwischen nach Wien gezogen ist, ist er immer noch zuständig. Was ihm weiterhin pro Jahr 10.000 Euro an Entschädigung bringen dürfte.

Fürsorgepflicht

Aus Geld macht sich Frau N. zwar nicht viel, in Wien hat sie sich inzwischen aber an Rechtsanwalt Josef Lachmann gewandt, um auch hier einen rechtlichen Ansprechpartner zu haben. Er wirft seinem Kollegen in Tirol eine Doppelverrechnung als Anwalt und Sachwalter vor. Außerdem versteht Lachmann nicht, warum das Sachwalterschaftsverfahren nicht längst nach Wien abgetreten wurde. "Jeder Sachwalter hat eine Fürsorgepflicht, die weit über Buchhaltung hinausgeht. Wie soll das funktionieren, wenn die Beteiligten in Tirol und in Wien zu Hause sind?", meint Lachmann.

Komplizierte Auslandssache

In der Erbschaftsangelegenheit von Frau N. sei beispielsweise voreilig auf mehr als 100.000 Euro verzichtet worden, um die komplizierte Auslandsangelegenheit abzukürzen. Dennoch wurde dem Innsbrucker Anwalt vom Gericht eine Extra-Anerkennung zuerkannt, weil er sich "besonders verdient" gemacht habe. Der Tiroler Advokat war dazu trotz mehrmaliger Kontaktversuche des Standard nicht zu erreichen.

Saftige Abrechnungen

Rechtsanwalt Lachmann fand auch heraus, dass seiner Mandantin schon früher von einem anderen Anwaltsbüro saftige Abrechnungen ins Haus geflattert waren: In vier Jahren kamen so 120.147 Euro für Telefon, Fax und Papierkram zusammen. (Mindestkosten pro Telefonat: 185 Euro.) Kürzlich wurde Lachmann schließlich amtlich beschieden, dass er keine Anträge mehr stellen darf. Frau N. hat damit praktisch keine Möglichkeit mehr, Entscheidungen ihres Sachwalters zu beeinspruchen.

Sage und schreibe 700.000 Euro will Shahin Sakinov wegen einer Sachwalterschaft in Österreich verloren haben. Die ganze stolze Summe, so der 41-jährige Bulgare mit jahrelanger Österreicherfahrung, habe er dem burgenländischen Landwirt Andreas G. als Kaufsumme für insgesamt 212.878 Quadratmeter Felder und sonstige landwirtschaftlich nutzbare Flächen sowie 512 Quadratmeter Baugrund samt Gebäude bezahlt

Die Übergabe des Geldes erfolgte laut Sakinov in zwei Teilen – erst 650.000, dann 50.000 Euro. Sie fand in Bulgarien statt und wurde in bar abgewickelt. Ein dort von einem Übersetzungsbüro ins Deutsche übertragener Vorverkaufsvertrag vom 15. 11. 2008 über die erste Tranche sowie eine Quittung vom 12. 1. 2009 über die zweite Tranche bestätigen die Transaktion. Die Papiere wurden von G. unterschrieben. Doch jetzt soll das ganze Geschäft nicht mehr rechtsgültig sein.

Rückwirkend unter Sachwalterschaft

Denn der Landwirt ist rückwirkend unter Sachwalterschaft gestellt worden: Zuerst, am 9. 12. 2008, einstweilig – zu einem Zeitpunkt, als die ersten 650.000 Euro laut Sakinov gerade vor drei Wochen über die Budel gegangen waren. Ein halbes Jahr später, am 15. 6. 2009, wurde die Sachwalterschaft mit Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha bestätigt. Laut Sachverständigengutachten leidet G. seit längerem an einer paranoiden Schizophrenie.

Die Belange des 40-Jährigen werden jetzt vom Brucker Rechtsanwalt Josef Sailer wahrgenommen. Die Erkrankung verunfähige den Landwirt, "seine geschäftlichen Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen" meint dieser – und habe, da die Krankheit schon länger bestehe, dies auch schon in der Vergangenheit getan.

Damit geriet das Bulgariengeschäft ins Zwielicht. "Mein Kurand lebt in ärmlichsten Verhältnissen", schrieb Josef Sailer am 22. 4. 2009 an den damaligen Anwalt Sakinovs, Udo Elsner, In Wien. Er, Sailer, hege "erhebliche Bedenken, dass tatsächlich ein Geldfluss stattgefunden hat" und schließe "die Gültigkeit der Vorvertrags aufgrund der mangelnden Geschäftsfähigkeit nahezu aus". Eine Vermutung, die Sakinov auf den Harnisch bringt: "Ich habe G. das Geld bezahlt. Er hat es in einen Rucksack gestopft und mitgenommen. Jetzt spielt er auf krank, ich bin ruiniert. Denn ich habe ihm all mein Geld gegeben und musste mir 150.000 Euro borgen."

Angst vor dem Ruin

Im Gespräch mit dem Standard wiederholt Sailer die Vermutung, dass die 700.000 Euro nie existiert hätten: "Eine so hohe Summe zahlt man nicht bar." Er hat der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung zukommen lassen, laut der der Bulgare einen Betrug begangen haben soll. Dieser reagiert mit Angst: "Man will mich offenbar ruinieren und vertreiben".

Anwalt Elsner, der Sakinov aktuell nicht mehr vertritt, will zu der Causa nichts sagen. Er habe jedoch schon öfter Rechtsstreits ausgefochten, nachdem Geschäfte aufgrund rückwirkend ausgesprochener Besachwalterung für ungültig erklärt worden seien. Geldforderungen könne man im Normalfall drei Jahre geltend machen. Wer sich dann geprellt fühle, könne seine Forderung auf dem Zivilrechtsweg einklagen: "In Wahrheit steht man in einer solchen Situation dann mit dem Rücken zur Wand", sagt Elsner. Und trage auch noch das Kostenrisiko des Verfahrens. (Irene Brickner, Michael Simone, DER STANDARD Printausgabe 3.9.009)