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Damals Deseurteure, heute Deserteure: Soldaten, die im 2. Weltkrieg Widerstand leisteten, sind bis heute nicht rehabilitiert.

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Wien - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) fordert eine "lückenlose Rehabilitation" der Opfer der NS-Militärjustiz. Sie plädiert für eine Bereinigung der derzeitigen Rechtslage und will auch die Rehabilitierung der Wehrmachts-Deserteure explizit im Gesetz verankern. Zur Umsetzung dieser Forderung kann sich Prammer vorstellen, einen im Justizausschuss liegenden Gesetzesvorschlag der Grünen aufzugreifen, hieß es im Büro der Nationalratspräsidentin.

Prammer unterstützt die diesbezüglichen Forderungen der Organisatoren einer Ausstellung über das Schicksal der Wehrmachts-Deserteure. Das "Anerkennungsgesetz 2005" sei "ein erster Schritt in Richtung Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz" gewesen. Darin seien jedoch nicht alle Unrechtsurteile eingeschlossen, sagte Prammer am Dienstag in einer Aussendung und rief dazu auf, "die bestehenden Gesetzeslücken zu schließen".

"Anerkennungsgesetz 2005"

Das Problem: Mit dem von der damaligen schwarz-orangen Koalition beschlossenen "Anerkennungsgesetz 2005" (das von SPÖ und Grünen abgelehnt wurde) wurden lediglich das NS-Aufhebungsgesetz und die Befreiungsamnestie von 1945 bzw. 1946 neu veröffentlicht. Damit wurden allerdings weder die Urteile der "Gesundheitsgerichte" über die Zwangssterilisationen noch jene der NS-Justiz gegen Homosexuelle aufgehoben (letzteres deshalb, weil Homosexualität auch nach den vor 1938 und nach 1945 geltenden österreichischen Gesetzen strafbar war).

Dies will Prammer nun bereinigen. Außerdem plädiert sie für einen expliziten Hinweis auf die Rehabilitierung von Wehrmachts-Deserteuren. Diese wurden mit dem "Anerkennungsgesetz 2005" zwar sozialrechtlich den anderen Opfergruppen gleich gestellt. Während der Nationalrat anderen Opfergruppen damals aber explizit "Achtung und Mitgefühl" aussprach, wurden Deserteure im damaligen Gesetz nicht explizit erwähnt. Dabei hatte diese Opfergruppe eigentlich im Mittelpunkt der damaligen Debatte gestanden. Auslöser waren Aussagen von BZÖ-Bundesrat Siegfried Kampl, der im April 2005 gemeint hatte, Deserteure seien "zum Teil Kameradenmörder" gewesen und der von einer "Naziverfolgung" nach 1945 gesprochen hatte.

Faymann: "Verheerende Pläne eines Diktators"

Österreichische Politiker haben am Dienstag des Beginns des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren gedacht. Bundespräsident Heinz Fischer erinnerte daran, dass im Zweiten Weltkrieg auch 270.000 Soldaten aus Österreich ums Leben kamen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der am Nachmittag in Danzig an einer internationalen Gedenkfeier teilnimmt, erklärte in einer Aussendung: "Dieser Tag erinnert aber auch an das Scheitern einer europäischen Politik, die damals noch nicht fähig war, die verheerenden Pläne eines Diktators zu erkennen und zu verhindern."

Fischer: "Tapfere Soldaten und Offiziere"

Fischer hob in einem Tagesbefehl an das Bundesheer hervor, dass es auch "tapfere Soldaten und Offiziere gegeben hat, die den Unrechtsgehalt und den verbrecherischen Charakter des nationalsozialistischen Regimes erkannten und die ihrem Gewissen folgten, indem sie versuchten, Widerstand zu leisten oder sich zumindest dem Dienst in der Hitler-Armee zu entziehen." Viele mussten dies mit ihrem Leben bezahlen. Das Bundesheer berücksichtige die Lehren der Geschichte. "Das Österreichische Bundesheer ist ein Verteidigungsheer und ein Friedensheer", unterstrich das Staatsoberhaupt in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber.

Der Zweite Weltkrieg, der durch den von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen ausgelöst wurde, war, so der Bundespräsident, in seiner Gesamtheit eine unfassbare Katastrophe. Das weltweite militärische Ringen, das mit der totalen Niederlage Hitler-Deutschlands endete, hatte unfassbare Zerstörungen zur Folge.

Darabos: "Kein Augenzwinkern"

Verteidigungsminister Norbert Darabos betonte, dass sich das Militär seiner Geschichte stellen müsse. "Für ein Heer, das dem Frieden und der Humanität dient, ist es unabdingbar, seine eigene, auch mit dunklen Flecken behaftete Geschichte lückenlos aufzuarbeiten. Hier ist schon viel passiert, es liegt aber auch noch einige Arbeit vor uns. Diesen Weg werde ich konsequent fortsetzen", sagte Darabos, der sich hier auf einer Linie mit der militärischen Führungsspitze sieht, laut einer Aussendung seines Ministeriums vom Dienstag.

Eine klare Linie zog der Minister, der in der Vorwoche mit der Teilnahme des Bundesheeres an dem umstrittenen Ulrichsbergtreffen Schluss gemacht hat, im Umgang mit dem Rechtsradikalismus: "Es gibt kein Augenzwinkern. Null Toleranz auch nur beim Anstreifen am Verbotsgesetz." Das Bundesheer unterstützt auf ausdrücklichen Wunsch des Ministers die Ausstellung "Was damals Recht war - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht".

Darabos übernimmt auch den Ehrenschutz für diese Ausstellung. Soldatinnen und Soldaten des Bundesheeres werden im Rahmen der "Politischen Bildung im Bundesheer" diese Ausstellung besuchen. Neben anderen Maßnahmen in diesem Kontext hat Darabos in der Krypta im Burgtor am Heldenplatz eine zusätzliche Tafel zum Gedenken an alle aus rassistischen Gründen Verfolgte anbringen lassen.

"Aggressiver und menschenverachtender Krieg"

Kanzler Faymann erinnerte an die unbeschreiblichen Gräuel des Zweiten Weltkriegs und hielt in einer Presseerklärung fest: "Der Überfall auf Polen am 1. September 1939 war der offizielle Beginn eines aggressiven und menschenverachtenden Krieges, der weit über 50 Millionen Menschen den Tod kostete. Was mit dem Niedergang der Demokratie im Inneren begonnen hat, das hat auf den Schlachtfeldern der Welt sowie in den Konzentrations- und Vernichtungslagern des Dritten Reiches eine bestialische Fortsetzung erfahren. Der Krieg und die industrielle Menschenvernichtung im Dritten Reich bleiben trotz vieler furchtbarer Geschehnisse in der Geschichte historisch ohne jeden Vergleich."

Den Nachkommen von Opfern und Verfolgten versprach Faymann, "den Anfängen zu wehren". Die Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie sowie die Fortsetzung des Friedensprojekts der Europäischen Geschichte sei nicht nur ein politisches Ziel, "sondern auch unsere Verpflichtung".

Grüne fordern Aufnahme der Balkan-Länder in die Europäische Union

Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, hat anlässlich des Weltkriegsbeginns am 1. September 1939 die Aufnahme der Balkan-Länder in die Europäische Union gefordert. "Die Aufnahme der Balkan-Länder muss noch erfolgen, um auch diesen Bereich Europas, in dem der Nationalismus vor kurzem noch zu ethnischen Säuberungen geführt hat, dauerhaft zu versöhnen", so Van der Bellen am Dienstag in einer Aussendung.

Der Schulunterricht dürfe sich nicht auf die Aufzählung von Fakten oder Jahreszahlen beschränken, sondern habe die Aufgabe, "die Gründe und Faktoren für die Nazi-Terrorherrschaft mit all ihren Folgen, sowie gesellschaftliche Zusammenhänge aufzuzeigen", forderte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas aus Anlass des 70. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkriegs. (APA)