Beslan - Fünf Jahre nach dem blutigen Geiseldrama von Beslan haben Angehörige und Überlebende der mehr als 330 Toten gedacht. Am Rande der Gedenkveranstaltungen kritisierten die Hinterbliebenen am Dienstag erneut die fehlende Aufarbeitung des Krisenmanagements unter dem damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sein Nachfolger Dmitri Medwedew erwähnte den Jahrestag in seiner Ansprache zum Schulbeginn mit keinem Wort.

Mit einem Läuten der Schulglocke begann um 09.15 Uhr die Gedenkveranstaltung an der Schule Nummer 1 in der nordossetischen Kleinstadt. Zu der Zeit hatte vor genau fünf Jahren ein Kommando aus größtenteils tschetschenischen Rebellen das Gebäude gestürmt und mehr als 1.100 Schüler, Eltern und Lehrer als Geiseln genommen. Mehrere hundert Menschen versammelten sich zum Gedenken an die Opfer in den Ruinen der Schule. Sie brachten Blumen, Spielzeug und Wasserflaschen mit, da viele Geiseln während der dreitägigen Belagerung nichts zu Trinken hatten. Eine Befreiungsaktion durch Spezialkräfte endete mit einem Blutbad. Nur einer der 32 Geiselnehmer überlebte. Er wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Während in allen anderen russischen Landesteilen am Dienstag wie gewohnt das neue Schuljahr begann, wurde der Unterricht in Beslan bis zum Wochenende ausgesetzt. Dort hielt ein orthodoxer Priester einen Gottesdienst ab. Daran nahm auch der nordossetische Führer Taimuras Mamsurow teil, dessen Kinder das Geiseldrama überlebt hatten. Die Opferorganisation Stimme von Beslan plante für die kommenden drei Tage und Nächte eine Nachtwache in der Schule.

Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Ella Kesajewa, kritisierte die mangelnde Aufklärung der Ereignisse. Die Überlebenden und Angehörigen seien zutiefst enttäuscht über die "formelle Untersuchung" zu den Umständen der Erstürmung zwei Tage nach der Geiselnahme. Amtlichen Angaben zufolge kamen 332 Menschen ums Leben, unter ihnen 186 Kinder. "Fünf Jahre sind vergangen, und niemand ist bestraft worden", klagte Matras Zallgow, der bei der Befreiungsaktion einen Bruder und einen Neffen verlor. Kesajewa sagte, dass bisher nicht einmal ein Gesetz zur Entschädigung der Überlebenden beschlossen worden sei.

"Wir haben gedacht, dass sich fünf Jahre nach Beslan die Welt doch geändert haben müsste. Aber selbst Jahre später müssen wir erkennen, dass sich nichts geändert hat", sagte Valentina Ostanij, die am 1. September 2004 mit ihrem Sohn und ihrem Neffen zu den Geiseln zählte. Noch immer hätten die Bewohner der Region Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Jeden Tag gebe es "terroristische Taten", die immer "entsetzlicher" würden. Nach einer inoffiziellen Zählung wurden nur in den vergangenen drei Monaten im russischen Kaukasus rund 260 Menschen getötet. Erst am Dienstag starb ein Zollbeamter bei einem Anschlag in der russischen Provinz Dagestan.

Außer in Beslan waren keine weiteren Gedenkveranstaltungen in Russland geplant. Präsident Medwedew würdigte die Opfer in seiner Ansprache zum Schulanfang nicht. Nur wenige Zeitungen berichteten am Dienstag über den Jahrestag. Das Geiseldrama sei "fast vergessen", schrieb die Zeitung "Wremja Nowostei". (APA/AP)