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Angel Gurría ist OECD-Generalsekretär.

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Die internationale Regulierung durchläuft derzeit eine stille Revolution. Auf Grundlage von OECD-Arbeiten aus mehr als einem Jahrzehnt nehmen sich Regierungen nun einer der größten Bedrohungen für faire und effektive öffentliche Finanzen an.

Was bis vor kurzem noch undenkbar schien, die Zeiten des Bankgeheimnisses in Steuersachen, sind vorbei. In der Welt von morgen wird es keine Oasen mehr geben, in denen man sein Geld vor berechtigten Steuerforderungen verstecken kann.

Bis heute konnten unehrliche Steuerpflichtige Vermögen und Einkommen leicht bei ausländischen Banken deponieren. Selbst wenn die heimischen Steuerbehörden Verdacht schöpften, bekamen sie von einigen Partnerländern keine Informationen über ihre Steuerpflichtigen. Mit der Folge, dass Milliarden an Steuermitteln verloren gingen. Dies war nicht nur unerfreulich für die Regierungen, es war grundlegend ungerecht gegenüber ehrlichen Steuerzahlern, die höhere Steuern leisten mussten, um die Ausfälle durch Steuerhinterziehung auszugleichen.

Doch seit sich die G-20 dieses Themas angenommen haben, hat sich vieles geändert. Mittlerweile haben die Regierungen von Liechtenstein oder der Isle of Man bis hin zu den Cayman Islands und Singapur zugesagt, mit ausländischen Steuerbehörden zusammenzuarbeiten. In weniger als fünf Monaten hat allein Luxemburg mehr als zwölf bilaterale Abkommen zum Informationsaustausch abgeschlossen. Die Schweiz hat 13 solcher Abkommen paraphiert.

Doch wie bei allen Revolutionen bleibt noch viel zu tun. Worten müssen Taten folgen, um dauerhafte Veränderungen zu erreichen.

Deshalb ist ein System nötig, mit dem die Einhaltung der Zusagen aller Länder und Gebiete auch überwacht werden kann. Um die Grundlagen für ein solches System zu schaffen, hat die OECD Vertreter von fast 100 Staaten für den 1. und 2. September nach Los Cabos in Mexiko eingeladen. An dem Treffen werden auch Industrie- und Entwicklungsländer teilnehmen, die bisher in diesem Bereich nicht mit der OECD zusammengearbeitet haben.

Gemeinsam werden sie an einer effektiven Umsetzung der internationalen Standards für Transparenz und den Austausch von Informationen in Steuerfragen arbeiten, wie sie von der OECD erarbeitet und mittlerweile von den Vereinten Nationen und den G-20 bestätigt wurden. Dafür sollte das OECD Global Forum on Transparency and Exchange of Information mit seinen derzeit rund 80 Mitgliedern in ein neues, umfassenderes und effektiveres Format überführt werden.

Im Kern wird es bei den Gesprächen darum gehen, ein Verfahren einzurichten, mit dem die Fortschritte bei der Umsetzung der Standards in jedem Land im Rahmen sogenannter Peer Reviews überwacht werden können. Dieses System gegenseitiger Überprüfung unter Gleichen hat sich bei der OECD in den verschiedensten Bereichen von der Korruptionsbekämpfung bis hin zum Umweltschutz bewährt.

Der Vorschlag, der dazu in Mexiko auf dem Tisch liegt, sieht vor, dass Experten für jedes Land zunächst den rechtlichen Rahmen untersuchen und sicherstellen, dass dieser dem Standard auch wirklich entspricht. In einer zweiten Phase würden dann die Steuerbehörden beurteilen, inwieweit Informationsanfragen bei Verdacht auf Steuerhinterziehung tatsächlich entsprochen wird. Das Ergebnis dieser Prüfung würde veröffentlicht und alle Länder, die sich nicht an ihre Zusagen halten, würden benannt. Jene, die ihre Zusagen laufend nicht erfüllen, müssten mit Gegenmaßnahmen durch Länder rechnen, mit denen sie Geschäftsbeziehungen unterhalten.

Es wird sicherlich einige Zeit dauern, ehe diese Vorschläge vollständig umgesetzt sind. Gewohnheiten müssen verändert, gängige Usancen reformiert werden. Einige Staaten müssen zudem neue Gesetze beschließen, um die politischen Zusagen umzusetzen.

Doch nach all den Jahren der Vorarbeit durch die OECD kann es keinen Zweifel geben, dass die Dinge sich verändert haben. Regierungen geben heute als Antwort auf die globale Wirtschaftskrise große Summen für Konjunkturpakete aus. Sie benötigen jeden verfügbaren Cent, um die wachsenden öffentlichen Defizite einzudämmen.

Für ehrliche Steuerzahler sind das nur gute Nachrichten. Angesichts der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte stehen die Regierungen heute unter dem Druck, Steuern zu erhöhen, statt sie zu senken. Auf lange Sicht wird mehr Steuerehrlichkeit die Steuerlast auf mehr Schultern verteilen und damit auch wieder Raum für Steuersenkungen schaffen.

Bis dahin wird der jetzt erzielte Konsens den Ländern helfen, ihre Steuergesetze tatsächlich durchzusetzen. Die globale Wirtschaftskrise war schmerzhaft, aber sie hat auch positive Entwicklungen hervorgebracht. Dies ist sicherlich eine davon. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.8.2009)