Er ärgert sich über die Kärntner Kulturverwaltung, programmiert vor allem für die lokale Bevölkerung und hofft auf einen vielseitig bespielbaren Saal: Thomas Daniel Schlee.

 

Auslastung um drei Prozent gestiegen
Ossiach - 18.500 Menschen besuchten die insgesamt 61 Veranstaltungen des 40. Carinthischen Sommers, der am 28. August zu Ende ging. Dies entspricht, so eine Aussendung des Veranstalters, einer Auslastung von 91 Prozent und einer Steigerung um drei Prozent gegenüber 2008. Ein Drittel der Veranstaltungen, darunter die Serenaden-Konzerte im Stiftshof Ossiach, sei ausverkauft gewesen. Jonathan Harveys Kirchenoper Passion & Auferstehung, achtmal aufgeführt, war zu 88 Prozent ausgelastet, die ausgeweitete Programmschiene cs_alternativ zu 86 Prozent. (trenk, DER STANDARD/Printausgabe, 31.08.2009)

Foto: Helge Bauer

Standard: Sie sind Komponist. Wie sehr leidet Ihre künstlerische Arbeit unter dem Intendantenjob?

Schlee: Ich komponiere jeden Abend, wenn ich nach Hause komme, und sei es erst ab Mitternacht. Am Beginn meiner Karriere war Dirigieren meine große Hoffnung, daraus wurde nichts. Programmgestalten ist aus dieser Hoffnung übriggeblieben, und ich habe diesen Brotberuf in jenen Momenten gern, in denen man erkennt, dass man etwas zum Leben verholfen hat, was sonst nicht gehört würde. Gerade über diesen Sommer bin ich glücklich: Anne Bennent zum Beispiel hat die Cantate de l'Enfant et de la Mère von Darius Milhaud - ein Schlüsselstück der Poesie, der Verbindung von Kammermusik und Dichtung im 20. Jahrhundert - aufgeführt. Beim Carinthischen Sommer finden Dinge statt, die sonst nirgends stattfinden.

Standard: Nach welchen Kriterien programmieren Sie?

Schlee: Nach ganz persönlichen. Neben attraktiven Ereignissen, die wir brauchen, um in der Gesellschaft verankert zu bleiben, versuche ich, künstlerische Bereiche einzubeziehen, die außerhalb der Metropolen gefährdet sind: Kammermusik und Liedgesang. Das Publikum in diesen Bereichen ist zum Teil dramatisch im Rückzug, deshalb verlege ich die Abende in die wunderschönen Bergkirchen. Natürlich muss in Ossiach alte Musik gepflegt werden. Aber mehr als die Hälfte der aufgeführten Werke sind aus dem 20. Jahrhundert. Und jedes Jahr gibt es Uraufführungen.

Standard: Alles ist möglich: Birgt das nicht die Gefahr von Beliebigkeit?

Schlee: Der Carinthische Sommer ist, positiv formuliert, von jeher ein Festival, in dem alle Stile und Epochen vertreten sind. Negativ ausgedrückt bedeutet es, dass die Marke nicht so leicht zu verkaufen ist, weil es keine Eingrenzung gibt. Doch wenn wir hübschen dramaturgischen Ideen den Vorrang geben, kann es sein, dass unser Publikum - das ja überwiegend ein lokales Publikum ist - nicht mitgeht.

Standard: Wie wichtig ist das Festival als Tourismusfaktor?

Schlee: Es ist ein absoluter Mumpitz, zu glauben, dass man mit Festivals enorme touristische Bewegungen auslösen kann. Das kann man ab einer gewissen Größe, ab einer gewissen Gemengelage wie etwa in Salzburg, die wir aber gar nicht erreichen können, weil wir das Geld und die Räumlichkeiten gar nicht haben.

Standard: Apropos Geld: Wie setzt sich Ihr Budget zusammen?

Schlee: Vom Land Kärnten bekommen wir rund eine halbe Million Euro, vom Bund 370.000 Euro, von der Stadt Villach meist 200.000 Euro; außerdem bekommen wir kleinere Zuwendungen über die Gemeinden. 400.000 Euro müssen wir durch den Kartenverkauf einnehmen: Das ist harte Arbeit.

Standard: Wie wichtig sind Sponsoren für das Festival?

Schlee: Sponsoring stellt bei uns nur fünf Prozent des Budgets dar. Unser Problem ist, dass man es in den großen Konzernzentralen in München, Berlin oder sonst wo in der weiten Welt nicht so gern sieht, wenn ein kleines Festival wie der Carinthische Sommer unterstützt wird. Frau Ederer von Siemens hat zwar verkündet, dass sie entsetzt ist über die Gesetzesänderung in puncto Anfütterung, aber dass sie selbstverständlich trotz Krise am kulturellen Engagement nichts ändern wird. Für den Carinthischen Sommer galt das nicht, da ist die lang erkämpfte und im vergangenen Jahr zustande gekommene Partnerschaft über die Klinge gesprungen. Statt Großsponsoren haben wir nun einen kleinen privaten Kreis, vor allem kunstbegeisterte Damen, mit deren Unterstützung wir jedes Jahr kleinere Kompositionsaufträge vergeben können. Das finde ich wunderbar.

Standard: Werden Sie von der Politik in Kärnten unterstützt?

Schlee: Über die Kärntner Situation zu sprechen birgt leider die Gefahr, in ganz billige Banalität zu verfallen. Ich muss sagen, dass ich fünf Jahre sehr respektiert war in meiner Arbeit - auch von Jörg Haider, der mich absolut in Ruhe gelassen hat. Die Schwierigkeiten begannen mit der Restaurierung des Stiftes und dem Einrichten der Musikakademie: Da ging es darum, die Unabhängigkeit des Festivals zu sichern. Heuer sind die Schwierigkeiten eskaliert, weil bis fünf Tage vor Beginn die Frage der Subventionszuwendung nicht geklärt war. Und zwar wegen einer Formulierung, die ich für ungeheuerlich halte: In den Förderverträgen zwischen den Kulturinstitutionen und dem Land ist der Passus drin, dass man "Verbesserungsaufträge" der Kulturabteilung akzeptieren muss. Ich war nicht bereit, das zu unterschreiben. Jetzt heißt es "Verbesserungsvorschläge". Das ist ein großer Unterschied.

Standard: Wie schauen Ihre Zukunftspläne aus?

Schlee: Wir müssten ein, zwei Schritte in Richtung Vergrößerung machen. Damit meine ich nicht, dass wir die Wiener Philharmoniker einladen. Wir haben jetzt diesen neuen Alban-Berg-Saal, architektonisch schön, keine Frage, aber ich brauche keinen Konzertsaal für 300 Plätze. Ich hätte mir einen Saal für weltliches zeitgenössisches Musiktheater gewünscht. Der Saal müsste vielseitig bespiel- und beleuchtbar sein. Darum habe ich bei der Eröffnung gesagt, ich möchte darüber sprechen, worüber ich mich in sechs Jahren freuen werde: Dass man den Raum nach aufwändigen Umbauarbeiten als Theatersaal verwenden kann.

(Andrea Schurian, DER STANDARD/Printausgabe, 31.08.2009)