Grafik: STANDARD

Wien - "Wenn alle wollen, haben wir in drei Monaten eine neue Forschungsstrategie. Was hier in Alpbach diskutiert wird, dient vor allem der Verschiebung dringend notwendiger Entscheidungen." Diagnosen wie die eines Innovationsökonomen, der nicht genannt werden will, sind bei den diesjährigen Alpbacher Technologiegesprächen viele zu hören. Offiziell zu Wort melden will sich zum schleppenden Prozess, an dessen Ende im August 2010 die Innovationsstrategie 2020 der Bundesregierung stehen soll, niemand.

"Jetzt muss der Sack zugemacht werden"

"Es liegen alle Expertisen und Vergleiche vor", drängt man auch in Forschungsratskreisen, "jetzt muss der Sack zugemacht werden. Uns rennt die Zeit davon und wir drehen uns im Kreis."

Druck besteht angesichts der Knappheit öffentlicher Fördergelder und rückläufiger Unternehmensinvestitionen vor allem hinsichtlich Schwerpunktbildung und Effizienz des Mitteleinsatzes. Eine Datenerhebung des Forschungsrats für seine Strategie 2020 zeigt einige Diskrepanzen zwischen Verteilung öffentlicher Fördermittel nach Schwerpunktthemen und den F&E-Investitionen der Unternehmen (siehe Grafik): In Life Sciences (Biotech etc.) butterte der Staat im Jahr 2007 mit 104 Millionen Euro mit Abstand am meisten Schwerpunkt-Fördergeld, in Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) investierten hingegen die Betriebe am meisten hinein, nämlich 1,21 Milliarden Euro.

"Life-Sciences-Förderungen deshalb zusammenzustreichen wäre grundfalsch", sagt Ratsvorsitzender Knut Consemüller, denn damit würde man die Grundlagenforschung an den Unis schädigen, die wiederum die Basis für anwendungsorientierte, also wirtschaftsnahe Forschung darstellt.

Tauziehen um Budgetmittel

Andererseits gehören Umwelt, Energie, Verkehr und Nachhaltigkeit, also die drängenden Gesellschaftsprobleme, gemäß Fördermittel nicht zu den Zwergen, aber auch nicht zu den Riesen bei der Mittelverteilung. Für diese missionsorientierten Themen liegen aber weder Detailstrategien vor noch Erhebungen über deren wissenschaftlich-wirtschaftliches Potenzial. Dringend nötig sind laut Wifo und KMU Forschung Austria deshalb systematische Steuerung, klare Ziele und Ergebniskontrolle.

Womit klar ist: Das Tauziehen zwischen Wissenschafts-, Verkehrs- und Finanzministerium um zusätzliche Budgetmittel zwecks Stimulierung der Innovationswirtschaft ist auch der Konfliktvermeidung innerhalb der Koalition geschuldet.

Dass es kein Patentrezept gibt, das Österreich auf dem Weg zum EU-Innovationsstockerl kopieren kann, zeigte einmal mehr eine Diskussion von Forschungspolitikexperten aus Finnland, Dänemark, Polen und Österreich. "Die Strategie muss jedes Land selber entwickeln", sagt Consemüller. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.8.2009)