Louise Lawler zeigte 1979 den Monroe-Film "The Misfits" ohne Bilder: nur die Tonspur lief ...

Foto: L. Lawler

Linz - In der Unfallambulanz plärren Computer-Beats aus den Lautsprechern. Die Patienten werfen die Krücken weg und beginnen Michael Jacksons Streetgang-Video Beat It nachzustellen. Eine Kammer weiter tanzen Menschen in einer aufgelassenen Kirche zu fetzigem Soul. Daneben sieht man amphetamingeschwängerte Performances der Industrial-Bands Einstürzende Neubauten und Throbbing Gristle aus der Zeit um 1980.

See this Sound: Man könnte die Ausstellung im Linzer Lentos leichtfertig als bloß weiteren Versuch abtun, einem museal lange vernachlässigten Bereich nunmehr inflationär beizukommen. Immerhin erfährt das ewig belächelte künstlerische Forschen zwischen Bild und Ton derzeit eine bemerkenswerte kuratorische Aufmerksamkeit.

Zwar sendet MTV seit 28 Jahren global in die Kinderzimmer. Und die Ars Electronica versucht damit auch schon seit 30 Jahren in einem etwas kleineren Rahmen in die fortschrittlichere Kunstwelt auszustrahlen. In den Museen richtig anzukommen scheinen Sound und Vision allerdings erst jetzt. Der Berufsstand des Ausstellungstechnikers wird um Kurse in Mischpulttechnik nicht länger herumkommen. Zumal man bei Ton im Museum traditionell Flüsterton und nicht Technoböllern meint. Cosima Rainer und Lentos-Chefin Stella Rollig müssen in Kooperation mit Linz 09 in der aufwändigen Schau See this Sound. Versprechungen von Bild und Ton also vor allem einmal Geschichtsunterricht betreiben.

Zwar sei laut Stella Rollig audiovisuelle Kunst "seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein sehr großes Thema" . Immerhin, so Cosima Rainer ergänzend, sei der Ton "das erste Medium, das technisch festgehalten werden konnte". Unglücklicherweise aber strebt technische Innovation seit jeher gleich nach dem Kriegshandwerk Richtung kommerzielle Verwertbarkeit.

Während in den Ateliers noch lange die Farbtuben regieren sollten, gestaltete US-Pionierin Mary Ellen Bute 1934 in New York also Edward Griegs Peer-Gynt-Suite mit rührend einfachen Trickeffekten als "Film im Kopf" , als in Linz gezeigten Rhythm in Light. Parallel dazu regierte im Kino längst der rasende Fortschritt. Ein Jahr zuvor wurde, nur so zum Vergleich, in Hollywood immerhin der die Filmtechnik revolutionierende King Kong gedreht. Arme Kunst!

Didaktischer Ansatz

In acht Sektionen wandert man in Linz die Stationen einer Divergenz von Medien- und traditioneller Kunst ab. Sie wollte historisch immer wieder von Künstlern wie Nam June Paik, Peter Kubelka, John Cage, Yoko Ono, Laurie Anderson, Brion Gysin oder Peter Weibel überbrückt werden. Deren gezeigte Exponate mögen bekannt sein, etwa Laurie Andersons Handphone Table oder Nam June Paiks Tonbandskulpturen. Eine Schau mit didaktischem Ansatz kann sich um diese Notwendigkeiten dennoch nicht herumschwindeln.

Erstmals in Österreich: Eine Variation La Monte Youngs & Marian Zazeelas raumgreifender "multisensorischer" New-Age-Installation Dreamhouse oder Christian Philipp Müllers Rekonstruktion von Le Corbusiers 1958 entwickeltem "Gesamtkunstwerk" Das unvollständige Gedicht.

Nach einem anfangs erwähnten Ausflug in die Popmusik gelangt man schließlich zur Hochmoderne. Techno-Künstler Carsten Nicolai ist ebenso vertreten wie das US-Aktivistenkollektiv Ultra-red. Dröhnender Endpunkt der erschöpfenden, aber gelungenen Schau: Herwig Weisers nach einer Metal-Band im Fleischwolf klingende Geräuschmaschine zgodlocator. Diese verformt Dünenlandschaften aus fein zerstoßenem Computerschrott durch bedrohliches Endzeitwummern. Ende neu. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 28./29.08.2009)