Der katholischen Kirche und ihren Würdenträgern ist jeder noch so lapidare Anlass recht, die Fristenlösung infrage zu stellen. Im Wiener Rathaus findet kommende Woche ein Empfang anlässlich 30 Jahre "pro:woman", besser bekannt als Ambulatorium am Fleischmarkt, statt. Dort werden seit Jahrzehnten Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen.

Kardinal Christoph Schönborn fordert nun die Stadt auf, diese Veranstaltung abzusagen, und er vermisst laut einem geharnischten Brief an Bürgermeister Michael Häupl gar den "Konsens im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an".

Der Kardinal übersieht dabei geflissentlich das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung, zu dem die Abtreibung nun einmal dazugehört. Das "entschiedene Ja zum Leben", das der St. Pöltener Diözesanbischof Klaus Küng einfordert, klingt zwar gut. Es zeigt aber auch, dass die Bischöfe (wie bei so vielen Themen) an der Lebensrealität der Menschen vorbeireden.

Schönborn negiert außerdem, dass es den von ihm vermissten Konsens rechtlich gesehen schon seit 1974 gibt, also seit die Straffreiheit der Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche beschlossen wurde.

Daran wird ein runder Tisch nichts ändern, den Schönborn nun fordert. Daran wird auch die nächste künstliche katholische Debatte nichts ändern. Denn an der Fristenlösung dürfen Politiker nicht rütteln, wenn sie Frauenrechte ernst nehmen – und die Trennung von Kirche und Staat. (Andrea Heigl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.9.2009)