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Was für den kleinen Esel gut ist, ist als Kosmetikum nicht billig.

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Grafik: DER STANDARD

Im Südosten Frankreichs gibt es einen Landstrich, der aussieht, als ob der liebe Gott den Bergen mit einer Heckenschere sämtliche Spitzen abgeschnitten hätte. Übriggeblieben sind Hochplateaus. Sie prägen das Bild in der Ardèche, jener französischen Provinz auf halben Weg zwischen Lyon und Avignon, die hierzulande vielleicht gerade einmal Kanuten oder Kajak-Fahrern ein Begriff ist. In den tiefen, mit natürlichen Tunneln durchzogenen Tälern lassen sich wunderbare Touren durch wildromantisches Naturschutzgebiet unternehmen. Boote und wasserfeste Kanister für Rucksack und Proviant lassen sich überall ausborgen. Somit werden auch Stromschnellen ein Vergnügen, und "dormir à la belle étoile" ist für Naturburschen wie Paul aus Belgien das Allerschönste auf der Welt. "Auf Sandbänken unter freiem Himmel schlafen, im kühlen Wasser baden und frische Luft atmen ist besser als Meer", schwärmt er.

Seine und die Begeisterung vieler anderer haben die Gorges, so heißen die großen Schluchten in der Ardèche nahe dem Städtchen Vallon-Pont-d'Arc, zu einer Art Wahrzeichen der französischen Provinz werden lassen. Dass vor kurzem in den wie Gruyère-Käse aussehenden Felsen sogar die ältesten Höhlenmalereien der Welt entdeckt wurden, freut nicht nur die Archäologen, sondern vor allem die Einwohner, "les Ardéchois", die stolz sind, prähistorisch nun gewichtiger zu sein als Lascaux mit seinen weltberühmten Höhlenmalereien. Wenn Christian Quéré, der Patron im Gästehaus "LeMoulinage", beim Abendessen erzählt, wie detailgenau die Wildpferde vor 30.000 Jahren gemalt sind, lauschen die Gäste gebannt. Er war einer der wenigen, die in die Höhlen schon einmal hinein durften. Überhaupt, so Quéré, sei die Ardèche komplett unterschätzt, sagt er, erzählt von der europaweit berühmten Seidenproduktion im Mittelalter und seinem Haus, das früher einmal eine Seidenraupenzucht war, den Esskastanien im Herbst und dem Wein, der einfach zu wenig bekannt ist. Die frankophilen Touristen am Tisch lauschen.

Lavendellehrpfad

Denn sie wollen die Schätze der Hochplateaus ja durchaus erobern, um - zum Beispiel - durch lila duftende Lavendelfelder zu radeln. In Saint-Remèze gibt es ein Lavendelmuseum, und fünf Minuten davon entfernt haben Corine und Roland Ingen-Housz ihre Felder. Das niederländische Paar ist vor 25 Jahren hierhergezogen, um Blumen zu züchten.

"Lavendel wächst in dieser Gegend einfach am besten, alle unsere anderen Versuche haben wir bald bleiben lassen", erzählt die blonde Mittfünfzigerin mit stark niederländischem Akzent. Heute macht sie aus ihrem eigenen Lavendelöl Kosmetikprodukte: Seifen, Duschbäder und Cremen, die die Menschen auf ihrem Hof kaufen. Als Touristenattraktion haben sie einen Lavendellehrpfad installiert, auf dem mehr als 200 verschiedene Sorten wachsen. Im thermischen Schluchtenwasser in Vals-les-Bains kann man sich das duftende Öl in die Wanne mischen lassen. Der Kurort versprüht morbiden Flair, dafür gibt es im Kurzentrum aus den 80er- Jahren Kosmetikerinnen, die mit handfesten Abreibungen wahre Wunder wirken.

Gepflegt wird in Vals-les-Bains mit Bio-Kosmetik von den Hochplateaus aus der Umgebung. Melvita heißt die in Frankreich populäre Biomarke, die 1983 vom Bienenzüchter Bernard Chevilliat in Lagorce gegründet wurde und heute aus Lavendel, Salbei, Borretsch und vielen anderen Pflanzen mehr als 300 verschiedene Kosmetikprodukte ohne synthetische Inhaltsstoffe herstellt. Chevillats Tochter Amande ist stolz, dass dem Unternehmen der Kosmetikkonzern L'Occitane unter die Arme greift: "Wir internationalisieren", sagt sie stolz und freut sich, ein Stück Provinzialität damit abzustreifen. Auch Karine Gambier in Saint-Lager Bressac macht Biokosmetik. Die ehemalige Filmemacherin züchtet Esel - deren Milch wegen. 15 Stück stehen auf der Weide, und einmal am Tag werden sie gemolken.

Die Milch friert sie ein und bringt sie dann nach Grasse, wo daraus ihre Kosmetikserie Anakae entsteht. "Eselsmilch ist der Muttermilch am ähnlichsten, ist reich an Proteinen, ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen, die der Haut guttun", sagt sie und erzählt, dass deshalb im Mittelalter jedes Waisenhaus in Frankreich auch seine eigene Eselei hatte.

Kosmetik aus Eselsmilch

Sie kannte die Sage von der in Eselsmilch badenden Kleopatra und hatte die Idee für ihre Eselskosmetik während eines Drehs in Marokko. Sie hängte die Karriere bei Film an den Nagel und widmet sich heute nur noch ihren Tieren und dem richtigen Mix für Cremen und Co - die weder zu fettig noch zu wässrig sein dürfen und auf jeden Fall dufttechnisch dezent und unaufdringlich sein müssen.

"Esel sprechen und sind nicht wie Pferde Fluchttiere. Wenn ihnen was nicht passt, bleiben sie stehen, und selbst ich muss sie oft stundenlang überreden, um sie vom Fleck zu bekommen", erzählt sie. Die Zucht, so Karine, sei deshalb schwierig, weil Eselinnen mitunter einfach keine Lust haben, ihre kleinen Esel auf die Welt zu bringen und sogar zum Sterben bereit sind.

Rückt ein Geburtstermin nahe, organisiert sie sich zumindest zwei Helfer, um einen Esel auf die Welt zu ziehen. Doch das sei das schönste Erlebnis, sagt Karine. Die Esel kommen verpackt wie in Seidenpapier auf die Welt, erzählt sie mit glänzenden Augen. Der kleinste Neuzugang ist die drei Wochen alte Valentine, die wie eine Katze gestreichelt werden will. Aus ihrer Milch wird eines Tages vielleicht einmal jenes Serum gemacht, an dem Karine gerade arbeitet - und das als Anakae in teueren Boutiquen im fernen Paris verkauft wird. (Karin Pollack/DER STANDARD/Rondo/28.8.2009)