London/Rom/Barcelona/Genf/Paris - Über den Tod von US-Senator Ted Kennedy schreibt am Donnerstag die britische linksliberale Zeitung "Independent": "Ted Kennedys Entscheidung, Barack Obama für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gegen Hillary Clinton zu unterstützen, hat Obama den Weg ins Weiße Haus geebnet und gleichzeitig den Liberalen in den USA neue Hoffnung gegeben. Vielleicht ist es nicht unangemessen zu sagen, dass sein Tod, in einem entscheidenden Moment im politischen Kampf des Präsidenten um die Reform des Gesundheitswesens, das Gewissen Amerikas ein letztes Mal aufrütteln könnte, so wie es ihm mit seiner altmodischen Redekunst zu Lebzeiten so oft gelungen ist."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Der Tod von Ted Kennedy setzt der außergewöhnlichsten Saga des 20. Jahrhunderts ein Ende. Diese Saga war in den USA und in der Welt eine Quelle der Inspiration, aber auch der Feindseligkeiten. Mit dem Senator von Massachusetts tritt der letzte männliche Überlebende einer privilegierten und charismatischen Generation von der Bühne ab. Er hat die amerikanische Politik beherrscht, war aber auch von einem grausamen und dramatischen Schicksal gezeichnet. Das Weiße Haus blieb der Gral des Ted Kennedy, dem er nachjagte und den er nie fand. Und doch hat er mit seiner Unterstützung für Barack Obama die Dynamik im Run auf das Weiße Haus verändert und das Monopol der Clintons in der Demokratischen Partei in Luft aufgelöst. Das war die wahre Übergabe der Fackel, die Erfüllung des von John F. und Robert Kennedy gemachten Versprechens. Er hat so ihren Traum verwirklicht."

"El Periodico de Catalunya" (Barcelona):

"Die Kennedys sind untrennbar mit einer Legende von Familientragödien verbunden, als wären sie eine königliche Familie in einem republikanischen Land. Allerdings wird dieser Aspekt dem nun gestorbenen Chef des Clans nicht gerecht. Edward Kennedy leistete als Senator wichtige Beiträge zur Verbesserung des Sozialsystems. Er schwieg nicht, wenn es darum ging, die Invasion im Irak oder andere Entscheidungen der Konservativen zu kritisieren.

"Ted" war seiner Zeit voraus, als er sich um eine Beilegung des Konflikts in Nordirland, um die Abschaffung der Apartheid in Südafrika oder die Überwindung der Diktaturen in Lateinamerika bemühte. Dies ist - abgesehen von seinem bewegten Familienleben - sein politisches Erbe. Es wäre eine echte Tragödie, wenn diese progressive Politik in den USA keine Fortsetzung fände."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Kennedys Wirken im Alltag der Amerikaner stärker zu spüren ist als jenes seines viel berühmteren Bruders, des 1963 ermordeten John F. Kennedy. Ted Kennedy war der Letzte seiner Familie mit bedeutendem Einfluss auf die nationale Politik. Der Versuch, seine Nichte Caroline auf einen Senatssitz in New York zu hieven und damit als Bannerträgerin der Familie einzusetzen, war gescheitert. Die übrigen Kennedys zehren noch vom Mythos, können der älteren Generation aber nicht das Wasser reichen. Zu nennen sind am ehesten Teds Sohn Patrick, ein Kongressabgeordneter, und seine Nichte Maria Shriver, die Frau des kalifornischen Gouverneurs Schwarzenegger."

"La Croix" (Paris):

"Ted Kennedy, letzter Patriarch einer legendären Dynastie Amerikas, hat den Ruhm und den Sturz erlebt, einen angeborenen aber auch erkämpften Ruhm, und einen Sturz durch Versagen, aber nicht ohne wieder aufzustehen. Dieser Sohn einer Familie mit grenzenlosem Ehrgeiz musste anstelle seiner älteren Brüder glänzen, die ehrenvoll gestorben sind, Joseph Junior im Krieg und John und Robert durch hassgelenkte Kugeln kaum identifizierter Feinde. Eine solche Last zu tragen ist bereits mehr als ausreichend für ein Menschenleben. Wenn die USA ein Leitbild bewundern, dann ist es nicht allein der Ruhm der Stars und auch nicht der Erfolg hartnäckiger Pioniere, sondern eine Verbindung beider Elemente." (APA)