Weniger Autos, mehr Öffis - der VCÖ ortet in einer neuen Studie einen Trend zu vielfältigem Verkehrsvershalten und fordert eine bessere Nutzung dieses Potenzials.

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Wien - "Das Verkehrsverhalten der Österreicher wird vielfältiger, es geht weg von der 'Monokultur' Auto." Öffentlicher Verkehr, Radfahren, Gehen und Pkw-Fahrten würden zunehmend miteinander verknüpft, so Martin Blum vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bei der Präsentation der neuen Studie "Multimodale Mobilität". Um diesen Trend, der ein Mehr an Verkehrssicherheit und ein Weniger an Verkehrskosten bringe, zu verstärken, seien unter anderem die Einführung einer "Mobility Card" und die Ausweitung des Taktfahrplans notwendig.

"Fahrt zum Bäcker mit dem Auto wird seltener"

Real bedeutet die Zunahme "multimodaler", also vielfältiger Mobiltät eine Verringerung des Autoverkehrs. "Die Fahrt zum Bäcker mit dem Auto wird seltener", so Blum. Ein Trend, der sich mit Zahlen belegen lässt: Die Neuzulassungen bei Pkw sinken seit 2007, im ersten Halbjahr 2009 wurden um 1,6 weniger Pkw zugelassen als im Vergleichszeitraum 2008. In Ballungsräumen nimmt der Pkw-Bestand nur mehr leicht zu, in Wien sinkt er sogar.

Gleichzeitig steigen immer mehr Menschen auf das Rad und den Öffentlichen Verkehr um. "Wenn Alternativen da sind, ist das Auto nicht mehr alleinige Nummer eins bei der Wahl des geeigneten Verkehrsmittels", so Blum. So hat sich in Vorarlberg der Anteil jener, die eine Zeitkarte für Öffis besitzen, zwischen 2003 und 2008 von 16 auf 29 Prozent erhöht. In Wien stieg die Zahl der Jahreskartenbesitzer im selben Zeitraum von 301.000 auf 341.000.

Immer mehr Radler

Stark gestiegen ist laut der VCÖ-Studie auch der Fahrradverkehr: Radelten die Österreicher 2005 durchschnittlich im Jahr rund 160 Kilometer, waren es 2007 bereits 220 Kilometer. Großes Potenzial sieht Blum im Carsharing, das derzeit von rund 16.000 Österreichern genutzt wird: Wer mit dem Auto weniger als 12.000 Kilometer pro Jahr fahre, für den sei Carsharing kostengünstiger als ein Privat-Pkw.

"Das eigene Auto hat seinen hohen Stellwert in der Verkehrsmittelwahl eingebüßt", so Blum. Begünstigt werde der Trend dadurch, dass junge Verkehrsteilnehmer "flexibler" seien und bei diesen andere Statussymobole als das Auto gefragt seien. Auch die hohen Spritpreise im Jahr 2008 könnten den Trend weg vom Auto begünstigt haben, erklärte der VCÖ-Experte.

Höhere Verkehrssicherheit

Da an den meisten Verkehrsunfällen Pkw beteiligt seien, bringe eine vielfältige Mobilität auch eine erhöhte Verkehrssicherheit. Außerdem rücke sie Österreich den Klimaschutzzielen näher: "Sinkt die Pkw-Fahrleistung pro Person und Tag in Österreich um vier Kilometer, reduziert das den CO2-Ausstoß pro Jahr um 1,5 Millionen Tonnen", so Blum.

Ein weiterer positiver Effekt: Mit vielfältiger Mobilität können Verkehrskosten gespart werden, sowohl individuelle als auch allgemeine. Durchschnittlich werden 4.900 Euro im Jahr pro Haushalt für Mobilität ausgegeben, 4.680 davon für Kauf und Betrieb von privaten Kraftfahrzeugen. "Durch einen optimalen Mix auf Öffentlichen Verkehr, Fahrrad, Gehen, der Nutzung von Taxi und Car-Sharing können Haushalte ihre Verkehrsausgaben deutlich reduzieren",  so Blum.

Verbesserung der Taktfahrpläne gefordert

Wie die Verkehrsmittelwahl ausfällt, wird wenig überraschend wesentlich vom Angebot bestimmt: Während der Anteil der Öffis am Verkehr in Städten bei über 16 Prozent, in Wien sogar bei 35 Prozent liegt, werden im ländlichen Raum nur fünf Prozent der Wege mit Bus oder Bahn zurückgelegt. Um die den Öffentlichen Verkehr zu stärken, seien besonders Ausweitungen und Verbesserungen des Taktfahrplans notwendig. Häufige, regelmäßige und schnelle Verbindungen sowie kurze Wartezeiten seien ebenso gefragt wie die Integration der Buslinien in den Taktfahrplan der Bahn. Hier gibt es laut Blum noch "große Verbesserungsmöglichkeiten in Österreich".

Vom VCÖ gefordert wird die Erstellung und Umsetzung eines Gesamtverkehrskonzeptes für Österreich. Der Generalverkehrsplan aus dem Jahr 2002 enthalte kein definiertes verkehrspolitisches Leitbild, sondern beschränke sich auf Projekte für Straßen- und Schieneninfrastruktur. Mit einem neuen Gesamtverkehrskonzept könnte der Anteil der Wege mit dem Pkw bis zum Jahr 2020 nach VCÖ-Angaben von 58 auf 48 Prozent gesenkt werden.

Nach der E-Card die M-Card

Stark ausweitbar ist nach Ansicht von Blum auch der Einsatz moderner Technologien, etwa für verkehrsmittelübergreifende Auskünfte. Gefordert wird analog zur E-Card die Einführung der M-Card. Eine solche "Mobility Card" fungiert als Fahrkarte im Scheckkarteformat und gilt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei der Fahrpreis automatisch automatisch brechnet und abgebucht wird. Zudem könnte die M-Card für das Bezahlen von Carsharing, Parkgebühren oder für Leihräder genützt werden - für Blum "ein wichtiger Schritt in Richtiung" vielfältiger Mobilität. Bereits flächendeckend eingeführt wird die Mobility Card derzeit übrigens in den Niederlanden. (glicka, derStandard.at, 26. August 2009)